… bis Z
Die Kolumne am Mittwoch
von Friederike Zelesko Es ist kalt, trüb und regnerisch. Ich bin mit Jacke, Pullover und Mütze warm angezogen. Ich kam gestern mit der Air Berlin in Rijeka an und bin dann mit dem Bus weitergefahren bis nach Lovran, einem Fischerort an der liburnischen Riviera. Ich war schon einmal hier. Auch damals wohnte ich bei Mira und Milan im Haus an den Berghängen der Gorica, zu dem genau einhundertfünfzig Stiegen führen. Das mühsame Steigen wird mit einem herrlichen Panoramablick von der Terrasse des Hauses auf das Meer und die Inseln im Kvarner Golf belohnt. Ich sitze im ehemaligen Café Oaza. Jetzt heißt es Kantunic. Die freundliche Kellnerin bringt mir ein Lasko Pivo, das bitter, aber sehr erfrischend schmeckt. Die Wände des Cafés sind jetzt orange gestrichen und die Stühle zitronengelb gepolstert. An der Wand hängt ein Flachbildfernseher und gerade läuft Magnum mit Tom Selleck, eine US-amerikanische Serie, die schon in den Achtziger Jahren gedreht wurde. Magnum wird angeschossen, steht aber später im Krankenhaus sofort wieder auf. Auch ich stehe auf, möchte sehen, was sich sonst noch verändert hat, oder was es immer noch gibt, seit meinem letzten Besuch.
Das Internetcafé ist verschwunden – also gehe ich zur Post um zu telefonieren. Die Schneiderin, zu der ich eine Hose zum Kürzen bringe, ist noch da - ebenso auf dem Markt die alte Bäuerin mit dem Ziegenkäse und dem Selbstgebrannten - auch Luciana vom Touristenbüro lacht noch hinter ihrem Schreibtisch. Den gelben Kirchturm von St. Georg - die Lädchen mit dem silbernen Filigranschmuck - den mittelalterliche Turm, in welchem sich das Museum für Seewesen sowie die Galerie des weltbekannten Malers Charles Billich befindet - die Slasticarna mit dem köstlichen Maroneneis - alles sehe ich mit Freude.
Und das Meer? Seine Bewegung ist von Mal zu Mal anders, je nachdem, aus welcher Richtung der Wind weht. Immer wieder stößt das Meer sich vom Land ab, geht zurück in seine Weite. Dort ist es zu Hause, wird von den Fischen und allerlei Geheimnissen bewohnt. Die Fische als stille Bewohner zu haben, empfindet das Meer als angenehm, denke ich. Es paßt in seine Welt, die sich auf der Oberfläche den hohen Wellen hingibt oder in weiße Gischt verwandelt, wenn der Wind es an die Felsenküste wirft.
Die Mauern der Habsburger Villen haben die Kälte gut überstanden. Dunkle, feuchte Flecken zeigen hier und da den Kampf an, den Mörtel und Putz ausgetragen haben. Das Geländer des Küstenweges wurde vom Salzwasser an vielen Stellen angefressen. Der Rost zerfließt in kleine rote Rinnsale, die aussehen wie getrocknetes Blut. Möwen mit angewinkelten, spitzen Flügeln stemmen sich gegen den Wind. Er treibt sein zärtliches Spiel und so wie er geschaffen ist, vergißt niemand, weder Vogel noch Mensch, sein Muskelspiel. Ich lasse mich packen, umarmen, küssen. Wenn der Wind ein Mann wäre, so wie Magnum, er wäre mir doppelt willkommen in der Einsamkeit einer Alleinreisenden. Lange noch spüre ich förmlich das Zittern der Luft- und Wasserhaut in seiner Ekstase, und wie die Möwe lebe ich auf wenn der Wind mich liebt. Ob ich ihn morgen wieder treffe, hängt ganz vom Meer ab. Es trommelt die starken Windkerle weit draußen zusammen und schickt sie irgendwohin.
Am anderen Ende der Bucht gehen jetzt, so wie immer, abends die Lichter an. Sie blinken wie Sterne. Niemand weiß mehr, was Land, Himmel oder das Meer ist.
© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2010 |