"Jeder Mensch ist ein Künstler"

Zum 25. Todestag von Joseph Beuys

von Andreas Rehnolt
"Jeder Mensch ist ein Künstler"
 
Vor 25 Jahren starb Joseph Beuys -
Objektkünstler, Aktionist, Zeichner und Schöpfer
des "erweiterten Kunstbegriffs"
 
 
Für die einen war er ein genialer Künstler, für die anderen ein Scharlatan und Selbstdarsteller: Joseph Beuys. Auch 25 Jahre nach seinem Tod am 23. Januar 1986 scheiden sich nach wie vor die Geister, wenn es um den Schöpfer des "erweiterten Kunstbegriffs" geht. "Jeder Mensch ist ein Künstler", hatte Beuys gesagt und damit das Kunstverständnis einer ganzen Generation geprägt. Sein Begriff von Kunst bezog den Menschen in all seinen Aktivitäten mit ein und beförderte das kreative Mitgestalten von Politik und Gesellschaft.
 
Der am 12. Mai 1921 in Krefeld geborene Beuys besuchte im Kleve am Niederrhein das Gymnasium. Während eines Einsatzes als Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg stürzte er über der Krim ab. Er entging dabei nur knapp dem Tod. Bis heute hält sich hartnäckig die Version seiner Rettung, nach der es einheimische Tartaren waren, die ihn aufnahmen, mit Talg salbten, in Filz einhüllten und auf einem Schlitten transportierten. Es sollte diese Erfahrung sein, die später die Kunst des Joseph Beuys prägte.
 
Filz und Fett waren neben Wachs, Papier und Kupfer seine zentralen Materialien, der Filzhut war sein unverkennbares Markenzeichen.1947 bis 1951 studierte Beuys als Meisterschüler von Ewald Mataré Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Von 1961 bis 1972 war er in Düsseldorf Professor für monumentale Bildhauerei und galt als zuverlässiger, eher strenger Lehrer. Bald erregte er Aufsehen mit Aktionen, die mit der klassischen Bildhauerei nichts mehr zu tun hatten. In Zeichnungen, Plastiken, Objekten, Environments und Performances setzte er sich mit mythischen Themen und magischen Riten, Archetypen und Symbolen auseinander. Zwischen 1964 und 1982 nahm Beuys fünfmal an der documenta in Kassel teil.
 
Nachdem der Kunstprofessor im Juli 1971 insgesamt 142 von der Akademie  abgelehnte Studenten in seine Klasse aufgenommen und in der Folge das Sekretariat der Kunstakademie besetzt hatte, wurde Beuys im Oktober des Folgejahres durch den damaligen NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau entlassen. Es kam zu Hungerstreiks und Vorlesungsboykotts der Studenten und zu Solidaritätsbekundungen etwa von Heinrich Böll und Martin Walser, David Hockney, Gerhard Richter und Günther Uecker, die sich für seine Wiedereinsetzung stark machten.
 
Erst 1980 entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Vergleich, daß Beuys bis zum 65. Lebensjahr sein Atelier im "Raum 3" der Kunstakademie behalten und den Professorentitel weiter führen durfte, dafür aber die Auflösung des Arbeitsverhältnisses akzeptierte. Da war der Künstler international schon längst anerkannt und auch kommerziell erfolgreich. Ein entscheidender Durchbruch auf dem Kunstmarkt kam 1969, als sein Galerist für die Installation "The Pack - Das Rudel", das aus einem alten VW-Bus mit 24 Schlittenobjekten bestand, 110.000 D-Mark erzielte. 1976 war er mit der Installation "Straßenbahnhaltestelle" auf der Biennale in Venedig vertreten. 
 
1979 widmete ihm das New Yorker Guggenheim-Museum als erstem Deutschen eine umfangreiche Retrospektive, 1981 gab es auch in der damaligen DDR die erste Beuys-Schau. 1982 setzte Beuys auf der documenta 7 in Kassel seine Skulptur "Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung (7000 Eichen)" um. Ehrungen und Ausstellungen in Polen, Italien und Japan folgten. Beuys starb am 23. Januar 1986 nach einer seltenen Entzündung des Lungengewebes an Herzversagen. 
 
Beuys´ Werke - Zeichnungen, Skizzen, Bilder, Objekte, Multiples, große und kleine Installationen, Skulpturen - befinden sich in allen großen und kleinen Museen weltweit. Allein das Museum Moyland in Bedburg-Hau am Niederrhein verfügt über rund 5.000 Arbeiten des Künstlers, zudem über 100.000 Archivalien. Darunter gut 3.000 Fotos zu Werk und Privatleben, 28.000 Briefe und Tonbänder sowie 50.000 Zeitungsausschnitte. 
Seit einigen Jahren herrscht Dauerstreit zwischen dem Museum und der Witwe des Künstlers, Eva Beuys. Ganz aktuell zeigt die sich verärgert über einen Joseph-Beuys-Forschungspreis des Museums, der an junge Künstler vergeben werden soll, die sich in ihrer Arbeit mit Beuys auseinandersetzen. 
 
Aus Anlaß des 25. Todestages gibt es eine Reihe von Ausstellungen zu Werk und Person von Beuys. Aufgrund der großen Nachfrage an Führungen ist die laufende Ausstellung "Joseph Beuys. Schamane" in der Städtischen Galerie Ravensburg bis zum 30. Januar verlängert worden. Die Ausstellung der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn mit einer Auswahl von Beuys' wichtigsten zwischen 1965 und 1985 entstandenen Multiples endet heute.
 
Das Museum Schloß Moyland zeigt noch bis zum 20. März die Ausstellung "Beuys: Energieplan" mit rund 200 Arbeiten aus diesem zeichnerischen Experimentierfeld. Und rechtzeitig zum 90. Geburtstag gibt es hier ab dem 3. April die Schau "Im Fokus - Beuys und die Fotografie" zu sehen. Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit habe Beuys früh die Rolle der Fotografie für sein künstlerisches Schaffen und die medienwirksame Verbreitung seines Werkes erkannt und genutzt, so die Aussteller.
 
 
Redaktion: Frank Becker