Kinder und Soßen
Es ist immer traurig, wenn Kinder keine Soßen mögen. Es geht dabei nicht um Nährwert oder Vitamine, man hofft nur inständig, daß sie irgendwann den Sinn und den Genuß von Soßen entdecken werden und dies dann nachholen und ausleben dürfen. Ich hörte von Kindern, die nicht gern Eis essen. Ist das nicht traurig? Ich kenne eine Frau, die ißt nicht gerne Knoblauch. Das tut einem in der Seele weh. Sie ißt keinen Knoblauch, weil sie die nachträglichen Geruchsbeeinträchtigungen fürchtet. Als wenn sich Märchenprinzen, die gerade einem Drachen das Herz herausgerissen haben, um es ihrer Herzensdame zu Füßen zu legen, davon beeindrucken lassen, wenn diese Herzenskönigin nach Knoblauch stinkt. Natürlich drücken sie ihren Kuß auf die Lippen dieser Angebeteten, danken für diese Gnade und sterben dann. Es bricht einem das Herz, wenn man hört, daß jemand nicht gerne Kuchen ißt. Welch ein Leben in Bitternis und Eintönigkeit. Was sind das für Geschmackserfahrungen, die einen gezwungen haben, keinen Kuchen zu mögen? Vielleicht wurde man von einem Mohnstollen bedroht? Oder die Mutter zwang einen, täglich Unmengen von Kuchen zu essen? Oder man war in die Tochter des Bäckers verliebt, die einen dann abwies?
© Erwin Grosche
Mit freundlicher Genehmigung aus: „Die Wirklichkeit und andere Übertreibungen“
2005 Ardey Verlag
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