Es ist nichts so fein gesponnen...

Eine Fundsache

von Antoine Ruesuac

         

Unsere braune Vergangenheit 1
  Unsere braune Vergangenheit 2

In Karl Simrocks Sammlung "Die deutschen Sprichwörter" ist unter der Nr. 3546 dieses aufgeführt: "Es ist nichts so fein gesponnen / Es kommt doch endlich an die Sonnen" (Quelle: Reclam).

Stolz posieren hier einige Mitglieder der Herrenrasse vor mehr oder weniger schnittigen Automobilen und einem wuchtigen Prunk-Torbogen mit der Aufschrift: "NSDAP Gau Düsseldorf". Wir wissen nicht, wer diese Herren sind, was sie dorthin trieb und welche Funktion sie hatten, aber zweie tragen Uniformen mit gewienerten Stiefeln, den Partei-"Bonbon" an der Krawatte. Den beiden anderen klebt er am Revers des zivilen Anzugs. Die Gesichter wirken ernst, aber nicht glücklich.

Aber stolz müssen sie dennoch gewesen sein, denn die Spurensuche in der Vergangenheit verrät: von Nr. 1 wurden fünf Abzüge bestellt, von Nr. 2 vier. Einer wird wohl Simon geheißen haben, denn dieser Name ist mit Bleistift auf dem Negativ-Täschchen der Fa. Photo-Trepera, Solingen, Moeller van den Bruck-Str. 71 vermerkt, das mir aus einem Buch entgegenfiel, welches ich auf dem Trödel erstanden hatte. Das Buch - unpolitisch - wurde zur Nebensache: die Negative waren viel spannender. Ein Labor machte, etwa 70 Jahre später, noch einmal Abzüge, diesmal nur je einen - für mich.

Es liegt etwas rätselhaftes über diesen Bildern. Da ist in zwei Fotos die Zeit stehengeblieben. Wir wissen nichts über das Schicksal dieser Männer. Vermutlich sind sie längst gestorben, vielleicht in dem schrecklichen Krieg gefallen, den ihre braunen Herren angezettelt haben. Vielleicht sind sie aber auch zu Ansehen und Ehren gelangt, haben später Ämter bekleidet und sich nach dem Krieg rechtfertigen müssen. Der eine oder andere wird ungeschoren davon gekommen sein und im neuen Staat wieder Verantwortung übernommen haben - oder sie sind Schriftsteller
geworden, gefeierte Dirigenten, gar Nobelpreiträger. Wer weiß. Später haben sie/er viellecht sogar eine ordentliche Pension bezogen. Möglicherweise hat einer doch noch eingesehen, daß es Unrecht war, diesem System Hand und Herz zu reichen und er hat sich abgewandt. Wie gesagt: wir wissen es nicht...

Aber es beschäftigt den Betrachter - umso mehr, je länger man in die Gesichter schaut. Es ist das Faszinosum des Eindringens in die Vergangenheit, wenn es auch nur ein Kratzen an der Oberfläche ist.