Das Rheinische "ICH"

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Das Rheinische "ICH"
 
Jeder Mensch kennt das Wort "Ich" und was es bedeutet. "Ich" eben, klar, wat soll der Quatsch! Moment, langsam, nicht so schnell. "Ich" ist so weit klar, es bezeichnet alles was 'ich' tue, denke, fühle und so weiter. Nicht so beim Rheinländer. Der Rheinländer hat eine viel weitere Auffassung von "Ich". Sein "Ich" endet nicht am T-Shirt oder Jackett, es dehnt sich auf die Straße, sein Viertel, sein Auto, es ist ein Riesen-Ich, das sich eine ganze Menge einverleiben kann. So öffnet sich die Tür zur Kneipe und durch das Gemurmel dröhnt ein Ruf: "Wem is der Auto vür dä Tür?" und schuldbewußt antwortet einer: "Ich!". Wenn ihm einer eine lange Leidensgeschichte erzählt vom Nicht-Schlafen-Können vor Schmerzen, "und dat zieht mir dann us dä Schulter in dä Kopp 'erein un is am drücken und däuen, dä Schmerz, also sch-sare Dir: Jrauenhaft!", so hat er eine klassische Antwort parat: "Komisch! Dat kenn ich bei MIR jo jaar net!". Und er meint damit, daß dieser Schmerz in seiner Welt nicht vorkommt und daß er, seit er denken kann, noch nie von so einem Schmerz gehört hat. Alles wird ihm zum Ich. Selbst wenn er abgrundtief staunt, wird er selten nur zu Wörtern wie "interessant" oder "unglaublich" greifen, nein, er wird es anders ausdrücken. Stellen wir z.B. einen Rheinländer, der noch nie ein Aquarium gesehen hat (kein Wunder, das Aquarium is ja mehr im Ruhrgebiet zuhaus, ne) vor ein solches, dann wird er erstmal paar Stunden gucken, dann langsam kopfschüttelnd ob dieser Rarität den Raum verlassen und dabei vor sich hinmurmeln: "Fische, Fische, der janze Tag unter Wasser - könnt ICH net!".
Was ein Land! Was für Möglichkeiten!
 
Also dann, in diesem Sinne...
 
Ihr
Konrad Beikircher




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