Ein Bilderbuch von zarter Poesie

Heiner Bontrups „Der Abend kommt als Kubist“

von Frank Becker
Zwischen Blau und Anderblau
 
Heiner Bontrups Hörstück für Stimmen und Musik
„Der Abend kommt als Kubist“
- ein Bilderbuch von zarter Poesie
 
 
Idee, Text und Konzeption: Heiner Bontrup - Regie: Andreas Ramstein - Bühnenbild: Ulle Hees
Sprecher: Sabine Paas, Andreas Ramstein, Claudio Li Mura, Dietrich Rauschtenberger
Musik: Sabine Prüss (Akkordeon) - Dietrich Rauschtenberger (Saxophone, Schlagwerk, Perkussion) - Mathias Haus (Vibraphon)
 
Der Titel dieses Stückes in sechs Bildern, mit dem Zusatz „Eine Italienische Reise“, hört sich zunächst ein wenig sperrig an, doch löst sich dieser Eindruck schnell und „Der Abend kommt als Kubist“ von Heiner Bontrup zeigt sich als eine charmante Liebesgeschichte von zarter Poesie, lyrisch, federleicht: „Ein Mann. Eine Frau. Die älteste Geschichte der Welt. Zuweilen die schönste. Öfter die traurigste. Noch häufiger die schönste und traurigste zugleich.“
 
Instrumente der Erinnerung

Ein Akkordeon (Ute Völker) spielt aus dem Off das Filmthema von „La Strada“, mit dessen Klammer der Abend auch enden wird, während ein alternder Autor „Nennen Sie mich Marcello, der Rest spielt keine Rolle“, eingeschlossen in seinem Einsamkeitswürfel, von einer, seiner Liebe zu erzählen beginnt, die einmal war, für neun Tage zwischen ihm (Claudio Li Mura/Andreas Ramstein) und Mascha (Sabine Paas) – heiter zwischen Blau und Anderblau. Um ihn herum ein an die Vergangenheit erinnerndes Röhrenradio, eine alte Reiseschreibmaschine, ein Magnetophon – und die aus der Flasche Wein aufsteigenden Erinnerungen, die er aufzeichnet, als Konserven mit Sommerworten, die man im Winter des Lebens öffnet, wenn das Obst des Lebens gegessen ist.
 
Heiter-melancholische Bilder

Während Claudio Li Mura als der alte Marcello zurückdenkt, leben Andreas Ramstein und Sabine Paas die in der wolkenlosen, weinreichen westligurischen Landschaft um Imperia, Gazelli und Cervo angesiedelte Geschichte nach. Mathias Haus (Vibraphon) und Dietrich Rauschtenberger (Saxophone, Schlagzeug, Perkussion) geben den heiter-melancholischen Bildern mit brillantem Cool und Latin Jazz – überwiegend in Kompositionen Rauschtenbergers (und schon mal mit stimmungsvollen Zikaden aus der Dose) - das gediegene musikalische Gerüst. Und noch eine Musik spielt eine wichtige Rolle: die herrliche italienische Sprache, die über weite Strecken in den bilingualen Text einfließt, meist, aber nicht immer übersetzt wird. Man läßt sich mit den Protagonisten gerne in die Traumbilder der Erinnerung einspinnen, nicht zuletzt das Vibraphon von Mathias Haus hat guten Anteil daran.
 
Zauberhaftes Vergnügen

Die knapp 80 Minuten wurden vor gerade mal zwei Dutzend Zuschauern, denen man flugs Stühle auf die Bühne des Remscheider Teo Otto Theaters gestellt hatte, zum zauberhaften Vergnügen, die „Postkartenlandschaft voller Palmen, Meer, Wein, und Myrte, Orangen und Oliven“ breitete sich  vor dem inneren Auge aus, während Andreas Ramstein und Sabine Paas ohne auch nur einen Hauch von Kummer die schönste und traurigste Geschichte der Welt miterleben ließen. Daß Heiner Bontrup der jungen Frau den Namen Mascha gibt, wird übrigens kein Zufall sein - sind beide Figuren doch wie einem Lyrik-Band von Mascha Kaléko entstiegen.


Andreas Ramstein (der jüngere Marcello) und Sabine Paas (Mascha) - Foto © Heiner Bontrup
Diese Italienische Reise ist ein kleines Juwel. Leider fehlte bei der Remscheider Aufführung die Bildprojektion von Ulle Hees, die sich auf den Titel bezieht, ihn optisch zugänglich macht, indem sich Zug um Zug Glas-Aquarelle zu einem kubistischen Bild überlagern „Der Abend kommt als Kubist“ ist auch als empfehlenswertes Buch mit Illustrationen von Ulle Hees im Wuppertaler Nordpark Verlag erschienen.
 
Weitere Informationen: www.nordpark-verlag.de  und    www.musenblaetter.de