Kirche von unten

von Hanns Dieter Hüsch

© André Poloczek - Archiv Musenblätter
Kirche von unten

Eines muß man mal deutlich sagen: In den Kirchen tut sich jetzt doch allerhand! Nicht nur, weil es auf Weihnachten zugeht, nein, ich meine - ich kann mich natürlich täuschen -, daß da jetzt doch eine ganz neue, wie soll ich sagen, fröhliche Besinnlichkeit ausgebrochen ist. Friedrich Nietzsche hat schon vor langer Zeit gesagt, daß die Christen eigentlich erlöster aussehen müßten. Und er hat auch gesagt, der Friedrich, daß wenn die Religion zur Moral wird, sie anfängt zu stinken! Und der Bischof Lehmann hat auch gesagt: »Man muß den Dialog in der Kirche fördern!« Und was da immer alles gesagt wird! letzt sollte auch mal was getan werden! Sonst heißt es immer: Kirche von unten, von unten, von unten! Aber die von oben kümmern  sich den Deuwel drum! Und um in das Ganze mehr Schwung zu bringen, hat man im Saarland in der Stadt Ottweiler, jeden Tag ein Trinkliederpotpourri gespielt, als Glockenspiel! Ein Potpourri aus bekannten Trinkliedern, wie zum Beispiel: »Bier her, Bier her...« Oder: »Wenn das Wasser im Rhein goldner Wein wär’...« Oder: »Ein Prosit der Gemütlichkeit,..« Diese Lieder konnte man jeden Tag vom Kirchturm hören! Ich meine, warum nicht! Die berühmte Theresia von Avila hat schon im 16. Jahrhundert gesagt. »Tu deinem Leib des öfteren etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen!« Und sie hat auch gesagt: »Wenn Truthahn, dann Truthahn! Wenn fasten, dann fasten!« Aber die evangelische Kirchengemeinde hat protestiert! jetzt soll das Glockenspiel, glaube ich, still stehen. Ich weiß nicht, wie der Streit ausgegangen ist. Wahrscheinlich werden jetzt nur Advents- und Weihnachtslieder gespielt! Was ja auch richtig ist! Der Christ hat sich eben auf den Ernst der Stunde vorzubereiten und einzustimmen, auch wenn der Engel noch so oft sagt: »Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland  und so weiter! Da hat man doch als sterblicher Erdenbürger allen Grund, mal ein Schnäpsken zu trinken oder auch ein Lied anzustimmen! »O du fröhliche, o du selige...!« Aber der Christ hat dabei ein tiefernstes Gesicht zu machen! Ich kämpfe schon seit Jahren darum, daß man in der Kirche auch lachen und klatschen darf, wenn einem was gefällt! Und vor der Kirche müßte - wie früher - auch wieder der Kirmesplatz sein! Gut! Ich weiß schon: Alles zu seiner Zeit! Und bitte keine Förderung des Alkoholismus! Ist in Ordnung! Aber was die Kirche durch ihre Verbote schon alles gefördert hat, das möchte ich  nicht wissen! Das möchte ich hier nicht auf den Tisch legen! Die Kirche sollte eine gute Mischung aus Alltag und Sonntag sein, aus Freude und Trauer, aus Leben und leben lassen! Deshalb sollte man an Silvester das Trinklieder-Glockenspiel vom Kirchturm wieder anstellen! Der »Liebe Gott« ist da viel großzügiger! Der singt selbst mit! Der hat einen ausgeprägten Tenor und zwitschert auch mal gern einen! Und schreibt keinem was vor! Höchstens, daß die Kirche mal von ihrem hohen und hochmütigen pädagogischen Podest runterkommt! Kirche von oben brauchen wir nicht! Aber Menschen von unten, davon kann der »Liebe Gott« nicht genug kriegen! 



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung