„Hast du `n Problem?! Oder wat?!“

Konfliktforschung im Ruhrgebiet und Musikkabarett mit Matthias Reuter

von Frank Becker

Foto © Veranstalter

„Wat (in aller Welt) ham die sich denn da jetzt wieder
(für ne Scheiße) überlegt?“
 
Hochwertiges Literarisches Musik-Kabarett mit Matthias Reuter
 
 
Matthias Reuter, der Senkrechtstarter des deutschen Musikkabaretts, der aus dem „oberhausigsten Teil des Ruhrgebiets“ stammt und sich dazu auch gerne bekennt, hatte am Samstagabend mit dem Programm „Auf Schwarz sieht man alles“ in der Wermelskirchener „Katt“ volles Haus. Mit seiner Eröffnungs-Nummer „Wat (in aller Welt) ham die sich denn da jetzt wieder (für ne Scheiße) überlegt?“ hatte er im Handumdrehen den Saal in der Tasche und auf seiner Seite. Wer hätte sich nicht schon angesichts saudämlicher Behörden-Entscheidungen die Haare gerauft? Reuter bringt Beispiele wie den „Pohl“ den man mitten auf  einen Weg pflanzt, damit er da nun nicht mehr durchfahren kann oder die Pflege der Autobahnbegrünung zur Hauptverkehrszeit.
 
Am selbst gespielten Klavier erweist er sich mit seinen Texten und seiner Performance nicht nur als recht ordentlicher Boogie-Pianist, sondern auch als veritabler Nachfolger Ulrich Roskis (1944-2003), dessen Platz in der Branche wenn überhaupt jemandem, dann ihm gebührt. Sein intelligenter Grenzgang zwischen Alltagsbeobachtung und literarischem Nonsens kommt an. Wie so viele  der jungen Kabarett-Generation verfügt Reuter über eine solide Lebensgrundlage, nämlich ein Germanistik-Studium (nicht auf Lehramt), was von vornherein die Berufswahl eng begrenzt: Taxifahrer, Journalist oder eben Solo-Kabarettist.
Schlagfertig, geistreich, politisch spitz, süffisant ironisch und unverkrampft lässt der sympathische Sprachkünstler wenig unkommentiert, von den kauzigen Originalen aus dem realistischen Milieu seiner Heimat über die „Subway“-Regel „Verlassen Sie nie Ihr Baguette“ und Rolltreppen-Karrieren bis hin zur Navigation im Supermarkt. Im verbürgerlichten, noch leicht native Anklänge hören lassenden Tonfall des im Schatten des Gasometers aufgewachsenen Mittelständlers erzählt er, was andere gerne verschweigen. Denn die schönsten Geschichten der Welt handeln oft von Peinlichkeiten „…und die kriegt man viel zu selten erzählt“. Er tut es.
 
Auch Reuters erschrecktes Bekenntnis des an sich selbst bemerkten progressiven Konservativismus „Ich brauche Hilfe, ich werde mehr und mehr konservativ“ schenkt wie seine tagespolitisch aktuellen Seitenhiebe das, was wir am dringendsten brauchen: befreiendes Lachen. Nichts ist mehr peinlich. Und mit nichts haben stiernackige Schwachköpfe am Steuer großvolumiger Geländelimousinen ein Problem. Außer mit sich selbst. Matthias Reuter hat eine Begegnung mit dieser Spezies akkurat dokumentiert und stellt so einen Spacko (und die rechte Art, ihm wortgewandt zu begegnen) im Kapitel „Schrecken des Alltags“ am Beispiel einer Parkplatzsituation plakativ vor. Thema „Konfliktforschung im Ruhrgebiet“: „Hast du `n Problem?! Oder wat?!“. In eine benachbarte Kategorie gehören übrigens die bürgerlich genährte Terrorangst im ICE nach Koblenz und ein verkorkster Kindergeburtstag mit Einhand-Kettensägen-Splatter und der Begenung mit einer anderen Spezies des menschlichen Bullenbeißers im Autokino. Danke auch fürs „Chatten mit Letten“! Ein gelungener Abend.
 
 
Das Programm gibt es auch auf CD:
Matthias Reuter - "Auf schwarz sieht man alles!"
© 2010 WortArt
Gesamtzeit:  1:19:00
Informationen dazu: www.wortart.de  
und  www.matthiasreuter.de