Im Flachland kann man weit sehen

Gedanken

von Bettina Rosky

Foto © Frank Becker

Im Flachland kann man weit sehen


Beim Spaziergang durch das Straelener Hinterland fällt mir in der Ferne eine Baumgruppe auf, eine seltsame Formation von vier Buchen, die im Quadrat angeordnet sind und so dicht beieinander stehen, daß sie nur eine einzige Krone zu bilden scheinen. Jeder dieser Bäume, deren dick Stämme ein hohes Alter verraten, hat sein Astwerk nur zu einem Viertel entwickeln können.

Beim Näherkommen wird deutlich, warum sie vor vielen Jahren so gepflanzt wurden: in der Mitte befindet sich ein kleines, rotes Ziegelhäuschen, nicht größer als ein Schrank, ein von vier mächtigen Buchen beschirmter Schrank mit einer quadratischen Öffnung, die allerdings vergittert ist. Ein Vorhängeschloß sichert das Ganze, und ein Blick durch die rostigen Gitterstäbe zeigt, was da Wertvolles drin ist: der Herr Jesus, im Nachthemd, mit seinen gepflegten Locken, ihr wißt schon, gesund aussehendes Haar das glänzt.

Aber ganz gesund sieht der nicht aus, wie er so dasteht, die blutende Hand zum Gruß, oder nein, wohl eher segnend erhoben, und vorn auf seinem weißen Kittel das rote Herz, man bedenke! außerhalb seines Körpers! Aber ich weiß, er ist so dargestellt, um dem Wanderer zu zeigen, wie sehr der Herr den Wanderer liebt, und deshalb sind auch diese goldenen Strahlen um das Herz gemalt, und ich fühle mich auch wirklich direkt getröstet, als ich ichn da so sehe mit seinem leuchtenden Herzen, und vor allem: eingeschlossen. --


© Bettina Rosky