Für daheim... - ...und unterwegs

Wiglaf Droste - "Im Sparadies der Friseure" (Buch und CD)

von Frank Becker

© WortArt
Für daheim...
...und unterwegs

"In einem Land, in dem "Bild" als Zeitung durchgeht und Guido Knopp als Historiker firmiert, gelten Friseure als Hirnforscher..."


Eine exzellente, vom Buch nur leicht abweichende Eröffnung der ebenfalls leicht überarbeiteten Hörbuchfassung des vorletzten Bestsellers von Wiglaf Droste "Im Sparadies der Friseure" ist das, die Droste-typisch ohne viel Umschweife in medias res führt. 2009 in der feinen Berliner Edition TIAMAT erschienen und 2010 von Droste selbst für eine WortArt-Doppel-CD eingelesen (vgl. hier Seite 32 der Buchausgabe), ist "Im Sparadies der Friseure" nicht nur wie im Untertitel bescheiden formuliert eine kleine Sprachkritik, sondern wichtiges Dokument zum Verständnis - nein, sagen wir es konkret: zum Unverständnis des leichtfertigen, dummen, hirnlosen Umgangs mit der in allen nur denkbaren Spielarten mißbrauchten und geschändeten deutschen Sprache. Droste fegt durch, spießt auf, plakatiert den Blödsinn, den dauerbekiffte oder grenzdebile "Sprachschöpfer" Tag für Tag seiner Sprache, die auch die Sprache Schopenhauers und Heines, Schlegels und Kants ist, ohne jeden Skrupel antun.

Ob er über "notleidende Banken" oder die kannibalischen Anwandlungen eines Reiner Fischer raisonniert (S. 75), ob der die Leipziger Volkszeitung als Organ der DHL decouvriert oder ob er sich mit allem Recht über die mega-Sucht von Werbetextern ereifert, die auch vor kunstvollen Superlativen wie "schnellstmöglichst" und "meistverkauftest" nicht zurückschrecken - Wiglaf Drostes Sottisen treffen nicht nur den Kern, sie erschüttern das Vertrauen in die allgmeine Intelligenz zutiefst. Die zu "Mayo" und "Info" verkrüppelten Opfer der Abkürzungswut sind ihm ebenso Thema wie die haltlose Verlogenheit deutscher Kreditinstitute, die nicht minder hemmungslos auf die wehrlose Sprache eindreschen, als das Rundfunksender und Fernsehanstalten tun. Doch andererseits müssen wir diesem anscheinend unkontrollierbaren Haufen sprachlicher Idioten, die sich nicht nur jeden Tag neue ungemein lustige Namen für Friseur-Geschäfte einfallen lassen, sondern damit auch noch kopfnickende Anerkennung bei der heiter kritiklos nachplappernden Gemeinde finden, über die Maßen dankbar sein. Sorgen sie doch gänzlich ungewollt für feinste Unterhaltung durch die Kolumnen Drostes, dem sie täglich neue Munition für seine Kartätschen liefern.  

Drostes Prosa ist pures Vergnügen. Elegant führt er das Florett des Wortes, setzt es dessen Gegnern an die Gurgel - und schon keinen. So bitten wir uns das aus. Das liest sich genußvoll weg und will kurz drauf wieder gelesen werden. Man fühlt sich gut aufgehoben bei einem Autor, der selbst in die Hand beißt, die ihn füttert, wenn sie dazu reizt - was ihn sympathisch macht. Auch daß er keiner von diesen notorischen Gutmenschen ist, die mit ihrer Glorie nerven, kann ihm auf die Haben-Seite der Bilanz geschrieben werden. Kaum mochte ich es glauben, als Wiglaf Droste, der bei Lesungen gerne derbe Wanderschuhe zu grob gewirkten Segeltuchhosen trägt, einmal im Gespräch durchblicken ließ, daß er und Dr. h.c. mult. Marcel Reich-Ranicki die einzigen Männer seien, die beim Übereinanderschlagen der Beine kein weißes Beinfleisch zeigten. Ein Ästhet. Da kann man ihn verstehen, wenn er mitunter die Haßkappe aufsetzt und möchte auch so ein Hütchen haben.


Zwei Fassungen dieser als Critica Diabolis 165 im TIAMAT Verlag Klaus Bittermann liegen also zum Abholen in den Buchläden bereit: die für zu Hause in Buchform zum immer wieder darin Schmökern, wenn einen mal wieder beim Nachrichtenhören oder Zeitunglesen der Haß auf die allgegenwärtigen Sprachverhunzer überkommt - und die für unterwegs, die der kluge Mann/die kluge Frau auf jeden Fall im Auto mit sich führt, um langweilige Autobahnpassagen oder endlose Staus dortselbst schadlos mit homerischem Gelächter zu überstehen. Den jüngsten Band Drostes "Auf sie mit Idyll" habe ich zu meinem Bedauern noch nicht gelesen, jiepere danach und hoffe, ihn hier ebenfalls bald vorstellen zu können. Der nächste Peter-Hille-Literaturpreis wird 2013 vergeben. Wiglaf Droste scheint mir die Bedingungen für diese hohe Ehrung zu erfüllen.
Noch eines: Wiglaf Drostes "Im Sparadies der Friseure" sollte zwingend zur Standardlektüre im Deutschunterricht aller Schulformen gemacht werden. So und nur so kann man eventuell noch Schlimmeres verhindern.


Wiglaf Droste - "Im Sparadies der Friseure" - Eine kleine Sprachkritik
© 2009 TIAMAT Verlag, Critica Diabolis 165", 143 S., Klappenbroschur, 12,- €
ISBN: 978-3-89320-132-7
Weitere Informationen unter: www.edition-tiamat.de

Wiglaf Droste - "Im Sparadies der Friseure" - Eine kleine Sprachkritik

© 2010 WortArt, 2 CD mit ca. 150 Minuten Gesamtspieldauer, gelesen von Wiglaf Droste
ISBN 978-3-8371-0299-4, ca. 12,95 €
Weitere Informationen unter: www.wortart.de

oder auch unter: www.tomprodukt.de/wiglaf-droste