Schöner sterben

Jörg Heinrich - "Keks oder Colt"

von Stefan Schmöe
Schöner Sterben
 
Wenn der Tod statistisch erfaßt und nach bürokratischen Aspekten klassifiziert wird, dann verliert er seinen Schrecken, ja noch mehr: Er wird zur Quelle tiefschwarzen Humors. So hat Jörg Heinrich die Todesfallstatistik des Statistischen Bundesamts genauer betrachtet und so hübsche Todesursachen wie „Längerer Aufenthalt in der Schwerelosigkeit“ oder, Amtsdeutsch ist eben doch schön, „Reiter oder Benutzer eines tierbespannten Fahrzeuges bei Zusammenstoß mit feststehendem Gegenstand verletzt“ oder „Kontakt mit Hundertfüßern oder giftigen Tausendfüßern (tropisch) an sonstigen näher bezeichneten Orten“ gefunden. Mit flotter Feder kommentiert, läßt sich daraus einiges humoristisches Kapital schlagen.
 
Heinrich kalauert gehörig herum (da gibt es „K.o.-itus“ und „Sexitus“, bei der Abhandlung über das Pinkeln auf elektrifizierte Weidezäune heißt es „Bauer sucht Au“, und auf Bauernregeln spielen Weisheiten vom Schlage „Tannen schaffen Pannen, Weiden bringen Leiden“ an). Auch lassen sich Statistiken auf absurde Weise umdeuten. Eigentlich dürfte auch jedem klar sein, daß sich mehr tödliche Unfälle durch Stürze beim Besteigen von Stühlen als beim Besteigen des Watzmanns ereignen, weil sich eben doch mehr Menschen im Haushalt aufhalten als an den Hängen von Deutschlands zweithöchstem Berg; für Feuilletonisten mit spitzer Feder ist dieser Sachverhalt natürlich ein gefundenes Fressen. So empfiehlt sich „Keks oder Colt – was einen wirklich umbringt“ als profunder Ratgeber in Sterbens- und Überlebensangelegenheiten in 35 Kurzkapiteln, die von Oliver Weiß sehr schön illustriert sind.
 
Das Verfahren taugt zweifellos locker für eine Doppelseite einer Tages- oder Wochenzeitung; in Buchform aber erschöpft es sich selbst bei lediglich 95 kleinformatigen Seiten doch recht schnell. Das scheint auch der Autor bemerkt zu haben, anders sind die anbiedernden und überflüssigen Plattitüden gegen die Volksmusik als vermeintlich dramatischste Todesursache (die regelmäßig wiederkehren) kaum zu erklären. So kann man dem Leser nur den Rat geben, den hübsch aufgemachten Band in kleinen Dosen zu konsumieren: Nicht mehr als ein oder zwei Kapitelchen am Tag durcharbeiten und ruhig auch einmal eine mehrtägige Lesepause einlegen.
Beispielbild


Jörg Heinrich
Keks oder Colt
Was einen wirklich umbringt – illustriert von Oliver Weiss

2011 Sanssouci, Fester Einband, 96 Seiten
Mit zahlreichen Abbildungen
Preis: 9.90 € (D) / 14.90 sFR (CH) / 10.20 € (A)
ISBN 978-3-8363-0294-4
 
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