Die rheinische Lösung

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Die rheinische Lösung
 
Kennen Sie die rheinische Lösung? Nein, das hat nichts mit Chemie zu tun: es ist eine Art, zu leben. Die rheinische Lösung ist ein 'gentlemen agreement', bei dem 'gentlemen' nur der ist, der dem 'agreement' zustimmt. Wer ihm nicht zustimmt, hat sich im selben Moment aus der rheinischen Familie ausgeschlossen.
Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bonn. Der jugendliche Angeklagte is eene echte bönnsche Jung, der at widder jekläut hätt, hä kann et net sinn losse. Vor der Verhandlung halten der Richter, der Staatsanwalt und der Verteidiger im Flur ein Schwätzchen. Über das Wetter im Allgemeinen und den Knöllchen-Hagel auf den Straßen im Besonderen. Der Verteidiger sucht, die Gunst der Stunde zu nutzen und bringt das Gespräch auf dä ärme Deuwel, der Richter aber sagt nur: „Do müsse mer ens sinn...“ und eröffnet die Sitzung. Mit finsterem Gesicht verfolgt er nun die Beweisaufnahme, sein Blick ist immer wieder vernichtend auf den Angeklagten gerichtet. Es sieht gar nicht gut aus für den jungen Mann, wie ein Häufchen Elend sitzt er auf seinem Arme-Sünder-Stühlchen. Da, nach den Plädoyers, steht der Richter plötzlich auf, geht mit den Worten: „Tja, Jung, dat hässte jetzt dovon“ auf den Angeklagten zu und verabreicht ihm zwei schallende Ohrfeigen. Dann sagt er: „Und loß dich hie NIE MIH sinn, klar!“ Der Junge soll - schwört der Anwalt, der mir die Geschichte erzählt hat - nie wieder straffällig geworden sein. Hätte der Verteidiger versucht, vor der Verhandlung mit dem Richter zu handeln, dä Jung wör in die Blech jekumme. Rheinische Lösung ist auch: grenzenloses Vertrauen in die Zukunft. In der Politik heißt das: „Jetzt wird ierschtens avjestimmp, dann gucken mir, wat passeet.“ Und irjendswie klappet dann jo och meistens, und wenn net, kann man et immer noch an et klappen kriejen. So hat der Rheinländer alle Fremdherrschaften überlebt: die Römer, dä Franzuus, die Preußen und Hitler. Und wenn ich mir anschaue, was dabei herausgekommen ist, kann ich nur sagen: Hut ab, et wor richtig esu. Jedenfalls alles in allem, ne.
 
In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher



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