Man achte auf die kleinen Dinge...

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Man achte auf die kleinen Dinge...

6. Februar: Er wärmte immer seine Socken, bevor er sie anzog. Er hängte sie dafür über die Heizung und nutzte deren Hitzewallungen. Er konnte seine Anzugshose, seine lange Unterhose und seinen Slip in einem Rutsch anziehen, da er sie auch genauso auszog. Mehr kann man von einem Mann, der seine Zeit nutzt, nicht erwarten. Er war immerhin Arzt.
 
7. Februar: Neulich fiel Padermann auf, dass eine Fußgängerampel neben einer vereinfachten Menschendarstellung nur noch ein Fahrrad aufführte. Wäre es nicht ein schöner Zug gewesen, dachte Padermann, darunter noch ein Hundebild zu verewigen? Denn wer sitzt oft vor der Fußgängerampel neben Mensch und Fahrradfahrer und wartet auf die Aufforderung der Ampel die Straße zu überqueren zu müssen? Der Hund. Es muß ihm doch sonderbar erscheinen, wenn Mensch und Fahrrad nach grünem Aufleuchten im Ampelrund den Zebrastreifen überqueren dürfen, aber kein Lichtsymbol den Hund dazu auffordert. Zählt nur jemand als Verkehrteilnehmer, der eine Seele hat? Natürlich weigern sich da manche Hunde, die allgemein gültige Straßenverkehrsordnung zu respektieren und lassen sich nur widerwillig über die Straße zerren. Was würde sich mancher Hund freuen, dachte Padermann, wenn an die Ampel nicht nur Mensch und  Fahrrad sondern auch der Hund gebührend beachtet würde?
 
8. Februar: Der Blumenhut. Wie praktisch ist das denn? Man befestigt einen kleinen Kaffeebecher auf der Krempe seines Hutes und sammelt darin Regentropfen. Wenn der Becher halb gefüllt ist, geht man damit von Blumentopf zu Blumentopf und wässert die Pflanzen. Man hebt dafür den Blumentopf in der Hand hoch und beugt dazu seinen Kopf herunter. Der Mensch verneigt sich vor der Natur. Man erweist der Schönheit und der Reinheit seinen Respekt. Willst du dabei etwas sagen, sag „Platsch“. Siehst Du, wie die Blume strahlt? Kannst du es riechen, wie sie wächst? Wie leicht der Mensch beweisen kann, daß er die Welt liebt.
 
10. Februar: Heute las ich etwas von Ernst Bloch. „Man achte gerade auf kleine Dinge, gehe ihnen nach. Was leicht und seltsam ist, führt oft am weitesten.“ Ich finde das so wahr, daß ich heulen könnte.
 


© Erwin Grosche - für die Musenblätter 2012
Redaktion: Frank Becker