Am Ende kommt der Schnitt

Dr. Gerhard Finckh zeigt bei der Neugestaltung des Wuppertaler Von der Heydt-Museums solide Ansichten

von Frank Becker

Man kann auch gegen die Zeit laufen...


Die Städtische Wuppertaler Kunstsammlung, das Von der Heydt-Museum in Elberfeld, seit einem runden Jahr unter der Leitung von Dr. Gerhard Finckh, erfährt eine grundlegende Umgestaltung.  Nachdem die Ausstellung "Im neuen Licht" (noch bis zum März zu sehen) bereits Akzente setzte, ist jetzt die neue Präsentation der Dauerausstellung so weit fertig gestellt, daß sie der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann. Am Sonntag, dem 21. Januar wird sie unter dem Titel "Pasticcio I - Meisterwerke aus der Sammlung" eröffnet.

Die Namensfindung will auf eine delikat angerichtete Zusammenstellung hinweisen, die Appetit auf Folgendes machen soll. Nie
konnten alle immerhin zwei- bis dreitausend Gemälde (von der Graphik-Sammlung gar nicht zu reden) des Museumsbestandes gezeigt werden. Ein Großteil blieb im Dunkel der Magazine. Gerhard Fincks Vorgängerin Dr. Sabine Fehlemann holte vor einigen Jahren mit ihrer opulenten Petersburger Hängung vieles ans Licht, zeigte eine üppige Auswahl, wofür ihr Finckh mit einem großen Kompliment Respekt zollt. Damals wurden in kräftig farbig ausgemalten Räumen epochenübergreifende Themenkomplexe gezeigt, die dem Betrachter ermöglichten, aus einem umfangreichen Angebot das herauszufiltern, was ihm gefiel.

Gerhard Finckh setzt auf ein anderes Konzept, mit dem er in den mit mobilen Stellwänden nun variabel zu gestaltenden zehn Räumen der Dauerausstellung eine kunsthistorische Chronologie "schreibt". Finckh: "Natürlich ist eine Auswahl aus einem Reichtum solcherer Bestände immer subjektiv, muß oder kann als willkürlich empfunden werden." Er will damit und mit dem gegenüber der vorherigen Hängung vergleichsweise "kleinen" Angebot beileibe nicht dem Besucher die Sicht oder den Geschmack des Museums aufdrängen - des Rätsels Lösung liegt schon im Namen "Pasticcio I". Da nämlich liegen ein "Pasticcio II" und weitere geradezu in der Luft. Uns so ist es auch, denn noch im Laufe des Jahres sollen im fließenden Übergang die Exponate wechseln, dem frequenten Museumsbesucher nach und nach weitere Schätze des Bestandes in bekömmlichen Dosen vorführen.

Auf einen weiteren, sympathischen Punkt setzt Gerhard Finckh, seinen Blick auf die kunsthistorischen Entwicklungen, den er eine "biedere Sicht" nennt. Es tut wohl, dieses geschmähte Wort, von der ihm anhaftenden Muffigkeit befreit, hier auf seine eigentliche Bedeutung, seinen etymologischen Inhalt zurückgeführt zu sehen: tüchtig und brauchbar, ja rechtschaffen zu sein - anstelle von Höhenflügen die Füße auf den Boden zu bringen.  Das ist eine gesunde Basis für die Ausstellung  einer Sammlung, die auf bürgerliches Mäzenatentum zurück geht.  Folgen wir einmal dem Aufbau der Ausstellung, die man im zweiten Stock des Hauses Turmhof 8 im Uhrzeigersinn durchwandern sollte, will man der Chronologie folgen. Nicht ohne augenzwinkernde Doppeldeutigkeit kommentiert Gerhard Finckh lächelnd: "Man kann auch gegen die Zeit laufen...".


Joachim Patinir - ca. 1515
Den Anfang macht Joachim Patinirs Landschaftsbild mit dem Hl. Hieronymus, um 1515 entstanden und ein Dokument der frühen Landschaftsmalerei, die mit der überwältigenden Alexanderschlacht Albrecht Altdorfers 1529 ihren Höhepunkt fand. Mit Patinir werden Exempel der flämischen und niederländischen Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts gezeigt, einen Raum weiter prächtige Genrebilder, Stilleben und Portraits des 17. Jahrhunderts, darunter ein opulentes Kücheninterieur von Frans Snyders. Landschaften sind auch großes Thema des Klassizismus - wir können Arbeiten Jakob Schlesingers,  Karl Blechens und Joh. Erdmann Hummels bewundern. Deutsches Biedermeier und französische Romantik hängen friedvoll nebeneinander, nachdem die napoleonische Vormacht gebrochen ist: Ferdinand Georg Waldmüller, Oswald Achenbach und Eugène Delacroix. Perle dieses vierten Raumes ist die Hängung alles sechs zauberhaften

Spitzweg - Storchenapotheke
Spitzweg-Bilder aus dem Bestand - wenn auch ein bißchen an meinen jährlichen Apotheken-Kalender erinnernd.

Ein wunderbares Frauenbildnis Anselm Feuerbachs, Arbeiten von Wilhelm Leibl und Wilhelm Trübner stehen danach europäischen Zeitgenossen des späten 19. Jahrhunderts gegenüber: Paul Gauguin, Henri Matisse, Pablo Picasso (blaue Phase) und ein früher Vincent van Gogh. Der Beginn der Moderne. Wuchtig schwingt Ferdinand Hodlers Holzfäller einen Raum weiter die symbolistische Axt, dräuen düstere Motive Corinths, Selvogts und Paula Modersohn-Beckers (2007 ist ihr 100. Todesjahr). Walter Leistikow fehlt bei den Sezessionisten hier schmerzlich. Doch warten wir auf "Pasticcio II". Die Dynamik nimmt merkbar zu, wir nähern uns, vorbei an Kees van Dongens Fauve-Portrait des Museumsstifters August Freiherr von der Heydt, dem

Otto Mueller - Weibliche Akte
Shed-Saal und den Expressionisten mit ihren kompromißlosen Farben und Linien, der "Brücke" mit Otto Muellers wundervollen zarten Akten, seinem Selbstportrait, Munchs "Schneeschmelze bei Elgersberg", dem gräßlichen gelben Pferd und der wunderschönen Brücke Emil Noldes, Heckel, Pechstein, Schmidt-Rottluff, Kirchner, Adler, Jawlensky, Macke, Erbslöh... Eine Pracht!

Und mittendrin der ausdrucksvolle Mahagoni-Kopf  Rudolf Bellings, auf Joseph Goebbels gemünzt (der übrigens nur wenig später seinen Wahlkreis als NSDAP-Kandidat in Elberfeld hatte - und gewählt wurde), der sich, die Augen verdrehend, zwischen soviel Expressionismus sichtlich unwohl fühlt. Gut gestellt. Eine wuchtige Packung Moderne des 20. Jahrhunderts erwartet uns zum Abschluß des Rundgangs: Max Ernst und Salvador Dali, Paul Klee, Willi Baumeister und Jean Dubuffet, allein neun Gemälde Max Beckmanns in

Ernst Wilhelm Nay - Rhomben
 einem  raffiniert eingefügten Kabinett, eines der Hauptwerke Picassos, dazu ein prächtiger  Francis Bacon, das wunderbare Environment George Segals "Ruth in der Küche" und eine Rarität - ein Gemälde Alberto Giacomettis. Eines der Bilder Ernst Wilhelm Nays aus dem Bestand ist dort und eins von Laszlo Moholy-Nagy. Und am Schluß - kommt der Schnitt, der den Lucio Fontana radikal in eine weiß besprühte Leinwand tat, um dem Theater ein Ende zu setzen.

Eröffnung am Sonntag, dem 21. Januar 2007, um 15.00 Uhr - Turmhof 8, 42103 Wuppertal - Es sprechen Oberbürgermeister Peter Jung und Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh.


Rudolf Belling - Kopf

  Übrigens: Die Cornwall-Klamotten von Richard Long vermisse
  ich überhaupt nicht. Und wenn ganz zufällig die verstaubten Fahrrad-Ersatzteile 
  eines gewissen Herrn von Weizsäcker von der Wand neben der Treppe zum 2.
  Obergschoß verschwänden, wäre das sicher ebenfalls kein Verlust.

  Vormerken: die nächste Wechsel-Ausstellung wird ab 4. Februar gezeigt: 
  "Abenteuer Barbizon - Landschaft und Malerei von Corot bis Monet".

  Weitere Informationen unter: www.von-der-heydt-museum.de