Hymnen für Helden

Toshiyuki Kamioka und das Sinfonieorchester Wuppertal überzeugen mit Strauss, Mozart und Beethoven

von Stefan Schmöe

Deutsches Repertoire als Kulturexport


1. Sinfoniekonzert 2007/2008 - "Hymnen für Helden"
Sonntag, 23. September 2007, 11 Uhr
(Wiederholung: heute, Montag, 24. September 2007, 20 Uhr)
Historische Stadthalle Wuppertal, Großer Saal


Richard Strauss:


Foto © Sinfonieorchester Wuppertal

Don Juan op. 20
Tondichtung nach Nikolaus Lenau

Wolfgang A. Mozart:
Klavierkonzert Nr. 21 C-Dur KV 467

Ludwig van Beethoven:
Symphonie Nr. 5 c-Moll op. 67
Ausführende:

Sinfonieorchester Wuppertal
Toshiyuki Kamioka, Leitung und Klavier

Japan-Gastspiel

Das Sinfonieorchester Wuppertal gastiert demnächst in der Heimat seines japanischen Chefdirigenten Toshiyuki Kamioka - mit zwei durch und durch deutschen Programmen im Gepäck, bestehend aus Mozart, Beethoven, Bruckner und Strauss. Damit das fernöstliche Publikum dann bleibende Erinnerungen ganz handfest mit nach Hause nehmen kann, werden die Programme vorab in der Wuppertaler Stadthalle für CD-Einspielungen mitgeschnitten. Den Auftakt machte in einem Sonderkonzert zur Saisoneröffnung Bruckners siebente Symphonie in einer extrem eigenwilligen Lesart, an deren völlig überdehnten Tempi sich die Geister scheiden dürften. Im nachfolgenden ersten Abonnementskonzert standen, fast ein "Wunschkonzert", mit Don Juan von Richard Strauss und Beethovens c-Moll-Symphonie, die eines der „großen“ Mozart-Konzerte (Nr. 21 C-Dur KV 467) einrahmen, ausgesprochen populäre Werke auf dem Programm, die am Sonntagmorgen für ein gut gefülltes Haus sorgten.

Klangpracht bei Strauss und Mozart "romantisch"

Don Juan mit seiner überbordenden Klangpracht ist ein Paradestück für das Orchester und seinen charismatischen Dirigenten. Über satten tiefen Streicherfarben entfaltet sich die Wirkung durch alle (durchweg gut disponierten) Instrumentengruppen hindurch. Kamioka stürzt mit Schwung und großer Geste in das Stück hinein, entlockt dem Orchester viele Schattierungen und führt es zu einer außerordentlichen Energieleistung. Natürlich paßt diese bombastische Musik bestens in das Ambiente der historische Stadthalle (zu deren Eröffnung im Jahr 1900 übrigens der Komponist persönlich am Pult stand).

Bei Mozarts C-Dur-Konzert übernimmt (wie schon zur Saisoneröffnung im A-Dur-Konzert KV 488) der Chef persönlich den Klavierpart und dirigiert vom Flügel aus. Als seinen Lieblingskomponisten hat Kamioka wiederholt Chopin benannt, und diese Liebe schwingt auch in seiner Mozart-Interpretation mit. Mit viel Legato und einem weichen, gefühlvollen Tonfall ist das eine „romantische“ Sichtweise, an der die Originalklang-Bewegung offenbar spurlos vorübergegangen ist. Ob man diese „empfindsame“ Mozart-Sicht mag, ist zu einem guten Teil auch Geschmackssache. Dank Kamiokas großer Musikalität erhält die Musik einen warmen, fließenden Gestus. Zudem bewahrt Kamioka das Andante, vielfach von der Pop-Industrie verwurstelt, vor falscher Sentimentalität.

Helden ohne Pathos

Ludwig van Beethoven hat an den Beginn seiner c-Moll-Symphonie zwei musikalische Ausrufezeichen gesetzt: Drei Achtel Auftakt für eine Halbe mit Fermate, die das kaum begonnene Stück gleich wieder aus dem Rhythmus bringt; und dies zweimal nacheinander. Dieses Motiv, ganz sicher eines der bekanntesten der gesamten Musikgeschichte, ist in gewisser Weise auch das Problem dieses Werks: Kein Konzertbesucher, der nicht dieses „Schicksalsmotiv“ kennt und mit konkreten Hörerwartungen vorbelastet in die Aufführung geht. Die Länge der Fermaten (und der Generalpausen danach) ist da beinahe so etwas wie die Unterschrift des Dirigenten. Toshiyuki Kamioka hat auch hier eine eigenwillige Lösung gefunden: Er unterschlägt die Fermaten wie Pausen fast völlig, nimmt also die pathetischen Ausrufezeichen weg. Es ist, als wolle er sagen: Vergeßt einfach alles über die Schicksalssymphonie, jetzt kommt meine Sichtweise. Das hat etwas durchaus Befreiendes, zumal er mit flüssigem Tempo den ersten Satz jenseits des überkommenen Helden-Pathos entwickelt (dem reichlich albernen Konzert-Titel "Hymnen für Helden" zum Trotz). Es gibt sicher klarere, auch rhythmisch härtere und unerbittlichere Interpretationen, aber hier drängt die Musik nach vorne, ohne die permanent klopfenden Achtel mechanisch klingen zu lassen. Natürlich kostet Kamioka die Überraschungsmomente dieser Musik wie die schneidenden Blechbläser-Einwürfe im Scherzo genüßlich aus. Den Finaljubel bereitet er sorgfältig vor, behält aber die Gesamtarchitektur des Werks immer im Sinn. Auch kann er Maß halten zwischen höchster Energie, ohne deshalb durch übertriebene Exzesse ins Plakative zu verfallen. Orchester wie Dirigent sind für ihre Japan-Tournee ganz offensichtlich gut gerüstet.


Weitere Informationen erhalten Sie vom Sinfonieorchester Wuppertal