Eine kuriose Ikone der chinesischen Kulturrevolution Die Mango: angefaultes Obst als Gegenstand eines Führerkults
Staatlich gesteuerte Heldenverehrung treibt nicht nur gelegentlich seltsame Blüten. So wie einst im Nationalsozialismus, Faschismus und Stalinismus zu sehen und zur Zeit im kommunistischen Nordkorea, brachte auch das kommunistische China unter seinem „weisen Führer“ Mao Tse-tung (Mao Zedong), besonders während der dunklen Phase der „Kulturrevolution“, die kuriosesten, heute geradezu komisch erscheinenden Propaganda- Auswüchse. Über einen höchst eigenartigen Kult berichtet Alfreda Murcks Katalog-Buch zur Ausstellung „Maos Mango“, die noch bis zum 16. Juni im Zürcher Museum Rietberg zu sehen ist.
Sommer 1968: der Große Vorsitzende Mao Tse-tung bekommt eine Kiste mit Mangos als Gastgeschenk des pakistanischen Außenministers. Noch in der selben Nacht läßt er die exotischen Früchte propagandawirksam an Arbeiter verteilen - so die Legende. Im Nu werden die Mangos zu einem Symbol für Maos Güte und Fürsorge - und werden zum Zentrum kultischer Verehrung. Die Frucht findet schnell Eingang in die Populärkultur, sie ziert Tassen, Tabletts, Stoffe Griffelkästen, Bonbon-Papier, Zigarettenpackungen, Abzeichen und andere Gegenstände des Alltags. Eine bereits halbverfaulte Mango wird in Formaldehyd eingelegt und als große Kostbarkeit bestaunt. Wachsnachbildungen von Mangos werden in Prozessionen mitgeführt und wie religiöse Objekte verehrt. Die Geschichte, wie eine exotische Frucht während der „Großen Proletarischen Kulturrevolution“ (1966– 1976) in China eine solch starke politische Botschaft verkörpern konnte, erzählt die Ausstellung „Maos Mango“ anhand einer raren Sammlung von Gebrauchsgegenständen, Propagandamitteln und Devotionalien dieser nur ein Jahr währenden beinahe hysterischen Kampagne.
Alfreda Murck hat in akribischer Forschungs- und Sammeltätigkeit die Geschichte der Mango als politisches Kultobjekt aufgezeichnet und eine wahrhaft einzigartige Sammlung von Original-Dokumenten, Gebrauchsgegenständen und Objekten dazu zusammengetragen. Zur Zürcher Ausstellung, die mit dieser unerhört spannenden Sammlung bestückt wurde, ist eine reich bebilderte Dokumentation erschienen, begleitet von fundierten Audsätzen und Essays namhafter chinesischer und europäischer Wissenschaftler: Adam Yuet Chau, Alonzo Emery, Daniel Leese, Wang Xiaoping, Zheng Xiaowei und Alfreda Murck selbst. Wer sich für die Geschichte des modernen China und das dunkle Kapitel seiner Kulturrevolution interessiert, kann an diesem einzigartigen Buch nicht vorbei gehen.
„Maos Mango – Massenkult der Kulturrevolution.“ Katalog, herausgegeben von Alfreda Murck © 2013 Verlag Scheidegger & Spiess, gebunden, 248 Seiten, mehr als 80 Farb- und viele s/w-Abbildungen, Lesebändchen, 20 x 28 cm, ISBN 978-3-85881-367-1;
34,- € | 39,- CHF
Ausstellung: „Maos Mango - Massenkult der Kulturrevolution“
15. Februar bis 16. Juni 2013 Museum Rietberg - Gablerstraße 15 - CH - 8002 Zürich
T: 0041 (0)44 206 31 31 F: 0041 (0)44 206 31 32 E-Post: museum.rietberg@zuerich.ch
Öffnungszeiten:
Di bis So 10 – 17 Uhr Mi und Do 10 – 20 Uhr Montag geschlossen Weitere Informationen: www.rietberg.ch
Einen Trailer zur Ausstellung können Sie unter www.rietberg.ch/de-ch/ausstellungen/maos-mango im Internet sehen. Einfach in diesem Artikel anklicken.
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