Lust

Ein Moment köstlicher Unterwerfung

empfunden von Karl Otto Mühl

Karl Otto Mühl - Foto © Frank Becker
Lust

In der Stadtmitte gibt es einen Aufenthalt von etwa 10 Minuten. Mit kreisendem Blaulicht steht ein Wagen der Feuerwehr auf der Kreuzung.
Ein behelmter Feuerwehrmann mit einem Kanister auf dem Rücken und einem Schlauch mit Spritzdüse in der Hand geht umher wie ein Winzer im asphaltenen Weinberg. Er sprüht eine Flüssigkeit auf den Boden, wahrscheinlich muß er eine Ölspur auflösen.

Aber in der Mitte der Kreuzung, da gibt es etwas. Da steht eine schlanke, ranke Polizistin, das Blondhaar unter der Schirmmütze hervorquellend. Sie steht wie das Niederwalddenkmal, ein Arm ragt hoch, der andere zur Seite - heranlockend, abwinkend, streng verweisend, warnend, verbietend. Souveräne, rasche, geschickte Bewegungen, deren Anblick den Puls beschleunigen wie die mannhaften Griffe eines Tambourmajors.
Ich schaue hingerissen zu.
Eine Ahnung kommt auf: wie wunderbar, so beherrscht zu werden, eindeutige Befehle zu erhalten, zu gehorchen, als Gehorsamer unter Wohlwollen passieren zu dürfen, angenommen zu sein, dazuzugehören. Und vor allem, sich einer Frau zu unterwerfen.
Wie ein Leder-Liebhaber. Aber auch der Verhörbeamte am Schreibtisch fällt mir ein. Unbehagen.

Weiterfahren. Du. Du bist in Ordnung. Du darfst.

© Karl Otto Mühl - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007