Zwischen den Sätzen

erlauscht

von Hanns Dieter Hüsch
Zwischen den Sätzen
 
Sind Sie auch ein Musikfan
So von Bach bis Beethoven
Stade Elmshorn Buxtehude
Mozart nicht zu vergessen
Da fallen ja ganze und halbe Damen
Reihenweise in Ohnmacht
Mozart
Aber auch Paganini und Chopin
Darf man nicht übersehen
Nachbarin euren Zerstäuber
Nun gut es war ja auch nur eine Anfrage
Es könnte ja sein daß Sie mit Musik gar
Nix zu tun haben
Am Hut haben
Am Hut zu tun haben wollen
Oder nur mit Volksmusik
Von den vier hirnrissigen Edelspatzen im
Leder-Smoking
Aus Oberschnulzenbruch
Wo jeder stirbt sich aber nicht übergibt
Pardon
Ich wollte Ihnen nichts antun
Nur manchmal mein ich müssen die
 
Standpunkte wieder mal geklärt werden
Obwohl ich ja sonst immer recht großzügig bin
Und jeden schwärmen lasse von dem
Welches ihm das Herz auf die Nieren übergehen lässt
Zurück zur Klassik!
Also zu dem was äußerst zeitlos ist
Und dann unsterblich wird
Wo also der rundum fertige Hochbürger weiß
Wo er seine Freiräume unterbringen kann
Also in Tonhallen Philharmonien Schumann-Sälen
Und Beethoven-Hallen
Und humanistischen Mehrzweckaulen
Wo man mit einem Griff aus der eben noch Altgriechischen Turnarena
Den Kulturmittelpunkt der Kleinstadt machen kann
Und die Akustik ausgezeichnet ist
Wie der Hausmeister mehrmals sagt
Und der Oberstudiendirektor ein
Joseph-Haydn-Spezialist ist
Und selber vor Ort Cello spielt
Kurz und nichts für ungut
Ich bin deshalb drauf gekommen
Weil ja viele Werke siehe Sonaten und Sinfonien
Mehrere Sätze haben
Meist drei
Und dann hat sich’s
Fünf Sätze gibt’s glaube ich nur beim Tennis
Und zwei beim Damentennis
Aber Obacht
Man sollte oder besser man darf zwischen den Sätzen
Nicht klatschen
Bitte nicht!
Beim Tennis schon
Da ist es geradezu gefragt
Da entlädt sich ja auch etwas
Aber in einem Konzert in dem man ja auch den Alltag
Loswerden will
Fast Küche mit Kirche vertauscht
Da herrscht zwischen den Sätzen: Ruhe
Besser gesagt: Stille
Eben nicht!!!
Und darauf will ich hinaus
Es herrscht keine Ruhe keine Stille keine Andacht
Es wird zwar nicht geklatscht
Aber wenn ein Satz zu Ende ist
Ob’s ein Allegro oder ein Andante war
Wurscht!
Selbst bei Beethovens Neunter unter Barenboim
Hab ich erlebt
Fängt das zeitlose klassische musikalisch
Breit gebidete
Hochbügertum
Sofort an sich zu räkeln
Das eine Bein über das andere zu schlagen
Und das machen 2000 Leute
Es wird gehustet sich geräuspert
Man murmelt man schneuzt sich
Holt tief Luft atmet tief aus und durch
Dreht sich um
Grüßt alte Bekannte
Faltet die Hände
Man steht auf
Flattert mit dem Programmheft
Also es liegt etwas in der Luft
Unruhe
Und zwar so eindeutig respektlos
Daß man eigentlich auch klatschen könnte
Finde ich
Ich weiß schon daß die Künstler das Werk
Erst ganz durchspielen wollen
Und dann den Gesamtbeifall einheimsen
Der ja bei Klassikern gar nicht mehr aufhört
Aber das Benehmen dazwischen
Und das ist schon ziemlich rigoros
Auch wenn es nur Sekunden sind
Meine ich
Der ich ja heim Schlußapplaus immer gerne aufsteh
Standing ovations
Meist steh ich als Einziger da
Denn das schafft der deutsche Konzertmensch
Nur ganz selten
Nur ganz selten
Seinen Hintern zu erheben
Ich steh dann da
Und bin mal wieder der Gelackmeierte.
 
 
Hanns Dieter Hüsch
 


© Chris Rasche-Hüsch/ Verlag Kiepenheuer & Witsch
Veröffentlichung aus "Der Große Hüsch, Bd. 2" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung