Lektion in Sachen Inszenierung

Beispiel zu Friedrich Schiller: Die Räuber

von Martin Hagemeyer

Lektion in Sachen Inszenierung
 
Theaterstücke sind typischerweise für die Bühne geschrieben. Um ein Stück kennenzulernen, so die Grundannahme hinter einer neuen Reihe des Leipziger „Amor Verlags“, gehört es daher auch dazu, es nicht nur schriftlich zu erleben. Frucht dieses einleuchtenden Ansatzes sind bisher acht Audio-Aufbereitungen zu Klassikern der Theaterliteratur – und der Lehrpläne.
 
Explizit für die schulische Beschäftigung sind die CDs vorgesehen, die ausgewählte Szenen in gesprochener Form präsentieren. Faust und Woyzeck sind dabei, weitere Standardwerke von Lessing, Kleist und Schiller, sowie „Romeo und Julia“ als einzigem fremdsprachigen Titel. Nun weiß man als dem Pennäler-Alter entwachsener Theaterfreund, daß Schulklassen für ein Theater einen nicht unerheblichen Teil des zahlenden Publikums ausmachen – Und qua Zwang auch ein zuverlässiges. Und fragt sich möglicherweise, ob der Besuch des heimischen Schauspielhauses für Schüler nicht die passendere Gelegenheit ist, Theaterliteratur in Aktion zu sehen.
 
Vorteil einer Aufbereitung per CD ist natürlich, daß sie immer verfügbar ist und nicht nur wenn der lokale Spielplan das Werk zufällig gerade hergibt. Ein zweiter Unterschied geht mehr an die Substanz, aber da mag man nicjht mehr so leicht entscheiden, ob er ein Vorteil ist: Die Macher dieser „Räuber“ interpretieren nicht. Die Sprecher, junge Schauspieler, bringen den Text in Auswahl zu Gehör, und das heißt: Sie sprechen ihn klar und mit korrekter Betonung, ohne daß sie den Anspruch hätten, etwas Eigenes daraus zu machen. Auch oder Bert Alexander Petzold läßt diesen Anspruch nicht erkennen, der für das Gesamtkonzept verantwortlich zeichnet und neben der Textauswahl auch die Regie übernommen hat. Wer sich an das heute verbreitete Selbstverständnis von Theaterregie, nämlich als Neuschöpfung nach Gutdünken, gewöhnt hat, ist verwundert – und gerät bei manch für sich schon packendem Auszug vielleicht sogar kurz ins Zweifeln, ob doch etwas dran sein könnte an der alten Forderung, statt „Regietheater“ doch einfach dem Text zu vertrauen.
 
Für Unterrichtshilfe dieser Art mag der Ansatz denn auch reichen, und nichts anderes will das Konzept ja sein. Andererseits: Eine erquickliche Art, den Klassikern näherzukommen, ist er nicht gerade. Zentrale Szenen werden zwar richtig ausgewählt und vorgestellt, aber eher pflichtschuldig abgefrühstückt als lebendig oder gar interessant aufbereitet. Schillers „Räuber“ Karl vergibt seinem Schurkenbruder zwanzig Sekunden nach dessen schlimmstem Streich, ehe man, mangels dramaturgischen Konzepts, recht begreifen konnte, worum es geht. Das gilt trotz der sachlich informativen Vorträge zwischen den Szenen. Ihren erklärten Zweck, Schülern einen anderen Zugang zu Theaterliteratur zu bieten, erfüllt die Reihe, und das ist ja viel wert. Für den Rest empfiehlt sich bei aller Regietheater-Schelte: Text durch Eigenlektüre kennenlernen – und dann ohne Umweg ins Theater des Vertrauens.
 
Beispiel zu Friedrich Schiller: Die Räuber.
Reihe "Hörspiel: Entdecke. Dramen. Erläutert. Die wichtigsten Szenen im Original"
2012 Amor Verlag,   Gesamtkonzept, Text und Regie: Bert Alexander Petzold. Künstlerische Beratung: Luca Zamperoni. - ISBN 978-3-944063-05-8.
Sprecher: Jean-Paul Baeck, Jonas Baeck, Silke Franz, Alexander Weikmann, Tobias Wollschläger, Luca Zamperoni.
Laufzeit: 1:19::34
 
Weitere Informationen unter www.amorverlag.de