Himmlisches Gespräch
Am Himmel bewegt sich eine Gardine,
Die Engel haben Ladenschluß,
Da sitzt ein Mann an der Schreibmaschine
Und schreibt, weil er schreiben muß.
Der liebe Gott sitzt mit ihm zusammen
Und macht ein faltenreiches Gesicht.
Der Mann sagt leise: Reiß dich zusammen,
Komm, wir spielen Menschärgeredichnicht.
Der liebe Gott sagt: Du kannst mir glauben,
Ich hätt es schon längst so gemacht wie du,
Aber Selbstmord kann ich mir nicht erlauben,
Sonst machen sie mir meinen Himmel zu.
Erst gestern kam wieder einer und sagte:
Die Gottlosen müssen hier raus!
Und als er sich dann über mich beklagte,
Da wußte ich nicht mehr ein noch aus.
Das hatte der Mann an der Schreibmaschine
Schon länger als lange kommen sehen;
Traurig zieht er an seiner Gardine
Und sagt: Ich kann das sehr gut verstehn.
Hier oben gibt’s keine Militaristen,
Wird keine Hand an die Hose genäht,
Aber hier gibt es schwarze Listen,
Für den, der nicht richtig zu glauben versteht.
So ist es, flüstert der liebe Gott,
Und geht es so weiter, kann ich nicht mal bleiben,
Da ist zum Beispiel der Presbyter Knott.
Willst du mir nicht einen Artikel schreiben?
Der Mann gegenüber winkt müde und matt:
Ich will dir mein Tagebuch zeigen,
Und er blättert durch bis zum letzten Blatt,
Darauf steht: sprechen - schreiben - schweigen.
Am Himmel bewegt sich eine Gardine,
Und über die Milchstraße läuft eine Maus.
Da sitzt der Mann an der Schreibmaschine,
Der sieht wie Kurt Tucholsky aus.
Hanns Dieter Hüsch
© Chris Rasche-Hüsch |