Broadway goes Essen Philharmonic

Zweieinhalb Stunden im siebten Cole-Porter-Himmel

von Peter Bilsing

Wayne Marshall - Foto © waynemarshall.com
Broadway goes Essen Philharmonic
Zweieinhalb Stunden im siebten Cole-Porter-Himmel
Philharmonie Essen 23.2.2014
 
„E lucevan le stelle....“
 
Zwar ist der 50. Todestag Cole Porters erst am 15. Oktober dieses Jahres, aber in der Essener Philharmonie wurde ihm jüngst bereits ein Denkmal mit einer Besetzung gesetzt, wie man sie sich als alter Cole-Porter-Fan besser, qualitativer, mitreißender und überzeugender kaum vorstellen kann. Ein Traumabend in diesem wunderbaren - leider nur zu 2/3 verkauften - Musiktempel. Ein Abend, den man sich eigentlich auf CD vermarktet, oder zumindest vom sonst fast allgegenwärtigen WDR aufgezeichnet wünscht. Daß dies nicht geschah, ist eigentlich eine Schande, insbesondere weil der seit dieser Saison neue Chefdirigent Wayne Marshall mit dem WDR-Rundfunkorchester Köln einen wirklich sensationell disponierten Abend präsentierte - Qualität, wie sie sicherlich weder auf dem Broadway noch irgendwo sonst kaum übertrumpft werden könnte. Das war der sprichwörtlich siebte Cole Porter Himmel, der Erinnerung an den vielleicht größten und bekanntesten Musical-Komponisten aller Zeiten (über 30 Werke) mehr als würdig. Porters Stücke, seine Melodien sind ewige Träume - Musik, die man sich noch in 100 Jahren anhören wird, ganz im Gegensatz zum heute täglich neu wuchernden Musical-Quark, dessen Halbwertzeit die jeweilige Aufführungsdauer kaum beträchtlich übersteigen dürfte.
 
Wayne Marshall „got the rhythm“
 
Wayne Marshall ist ein Ausnahmedirigent. Hier steht ein Mann vor dem Kölner Rundfunkorchester, der alles ins Blut aufgenommen zu haben scheint, was nach dem Jahrhundert-Swing eines Benny Goodmann, George Gershwin, Count Basie oder Woody Hermann klingt - eine brillante Basis für Cole Porters Musik. Der Mann kann es einfach, ihm blitzt diese Musik förmlich aus den Augen. Und wenn er den Sängern und seinen Musikern anerkennend respektvoll und herzlich zunickt, dann ist das fast wie ein „Bravo“ aus dem Jazz-Himmel des Komponisten; zumindest hatte ich diesen Eindruck. Ein brillanter und überzeugender Orchesterchef, der sich erst so richtig wohl zu fühlen scheint, wenn er sich gelegentlich auch einmal ans Klavier setzen darf, um sich im Rahmen einiger Songs mit dem Orchesterpianisten ein improvisiertes Intermezzo furioso Duell zu liefern. Hier kam dann endlich auch das Publikum, das leider anfangs nur recht schwermütig mitging, in Gang. Doch am Ende war die Akklamation überschwenglich - Gott sei dank, kein stalinistischer Klatschmarsch - die Besucher hatten Stil und empathisches Musikgefühl.
 
Profilierte Sänger und ein sensibles Orchester
 
Da es zudem gelang, zwei der sicherlich profiliertesten Cole Porter-Sänger unserer Zeit wie Kim Criswell und Wilfried van den Brande dermaßen gelungen zu integrieren, dann muß mindestens von einem 5-Sterne-Abend gesprochen werden. Um über solche Stimmen zu schwelgen, fehlen mir die Worte; man muß diese Frau - eine Grande Dame de Jazz & Swing - einfach hören. Schön, daß es Aufnahmen von ihr auf Youtube verewigt gibt. Voila, hier ist meine persönliche Jahrhundertstimme: Kim Criswell mit Cole Porters „I get a kick...“. Bitte einschalten, anschauen, hören und genießen! Das gilt ebenso für George Gershwins „I´ve got rhythm“.
Wilfried van den Brande hat sich in seinem Sängerleben wie kaum ein anderer mit Cole Porter beschäftig. Mit seinen wohltuend akzentuiert gesprochenen Zwischentexten moderierte er intelligent und ausgesprochen charmant den Abend, immer entlang der Lebenslinie des großen Komponisten, sodaß selbst die jüngere Generation neben der Musik auch viel Autobiographisches mitnehmen konnte.
Ganz großes Lob auch für das WDR-Rundfunkorchester Köln, welches mit der Kiss Me Kate Ouvertüre (große Big Band Konzertfassung) und der finalen Szene dieses beliebten Musicals nicht nur einen wunderbaren Rahmen setzte, sondern uns auch mit jeder exzellent und engagiert gespielten Note bewies, was dieser Cole Porter doch für einzigartige Musik geschrieben hat.
 
Wer nicht da war, hat einen genialen Abend verpaßt! Die Glücklichen, die da waren, werden dieses wunderbare musikalische Ereignis als Perle im Herzen speichern.
Die Essener Philharmonie ließ die Sterne des Broadway leuchten. Fünf Sterne sind nicht genug.
 
Redaktion: Frank Becker