Das Kunsthaus im Kadettenweg

Eine etwas andere Berliner Galerie

von Joachim Klinger

© Joachim Klinger
Kunsthaus im Kadettenweg
 
Was ist ein „Kunsthaus”? Ein Museum, ein Sammler-Depot, ein Auktionsinstitut, ein Antik-Laden? In Berlin-Lichterfelde, wo lange Zeit ein Zentrum für die Ausbildung des Offizier-Nachwuchses angesiedelt war, gilt es, ein Haus mit Fachwerkgiebeln und einem stolzen Türmchen zu entdecken. Es liegt am Kadettenweg, auf dem einst der militärische Nachwuchs in Reih’ und Glied dahintrabte und war für Offiziere erbaut worden (1893). Groß, imposant und doch verschroben beherbergte es vor dem Ersten Weltkrieg mindestens drei Offiziersfamilien. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Verfall, und die zuständigen Stellen entschieden sich für den Abbruch. Das stieß auf Protest und Widerstand; das Haus wurde besetzt.
 
Und nun kommt die Kunst ins Spiel! Achim Freyer, Maler, Grafiker, Bühnenbildner für Schauspiel und Musiktheater, später auch Regisseur, zog aus dem Osten nach West-Berlin (1971), nahm Kontakt zur „Besatzungsmannschaft” der Villa im Kadettenweg auf und regte Kunstaktionen an, die zur Idee eines Kunsthauses mit Ausstellungen, Werkstattbesuchen und Diskussionsrunden führten. Freyer quartierte sich im Kadettenweg 53 ein und brachte nicht nur seine Familie mit, sondern auch eine ständig wachsende Fülle von Bildern und Skulpturen, Objekten und Fundstücken, die heute in dichter Reihung Wände, Regale, und Nischen okkupiert haben.
Eine Ordnung ist nicht erkennbar, es herrscht überwältigende Vielfalt. Auf einer Wand leuchten am oberen Rand farbige Werke von Schröder-Sonnenstern, im Mittelfeld meint man einen Bonnard zu erkennen, und in der Nähe der Fußleiste scheint sich Grafik von Giacometti versammelt zu haben. Aber es gibt auch mittelmäßige Kopien von „großen Meistern” wie z.B. Van Gogh, naive Malversuche von Laien und Kinderzeichnungen. Alles läßt sich rechtfertigen, man denke nur an die Art brut und den Siegeszug primitiver Handarbeit, die z.T. als „Volkskunst” deklariert, Liebhaber gefunden hat. Wen „das Jagdfieber” packt, der kann auch Altenbourg und Baselitz aufspüren, oder Matisse und Chagall, oder Beckmann und Liebermann. 2000 Namen soll das Verzeichnis der Künstler im Kattenweg 53 zählen.
 
Achim Freyer, der das Haus vom Land Berlin gekauft hatte, war gut beraten, dieses und den gesamten Inhalt (!) in eine Stiftung einzubringen. Hier kann er weiterhin selbst seine Kunstwerke zeigen und das Schaffen junger Künstler präsentieren. Angekündigt wird auch eine Ausstellung „Art Brut, Kunst aus dem Untergrund”.
Soeben ist Freyer 80 Jahre alt geworden, und man hat ihn gebührend gefeiert. Seine erstaunliche Kreativität und Vitalität erfüllt das Kunsthaus mit Geist und Leben. Dem kunstinteressierten Berlin-Besucher möchte man raten, z.B. nach dem Genuß des gepflegten Ambiente der Liebermann-Villa in Wannsee mit gediegener Salon-Kultur den Sprung nach Berlin-Lichterfelde ins Kunsthaus am Kadettenweg zu riskieren und in den „Wunderkammern” von Achim Freyer das Staunen zu lernen.
Das Haus mit seinem offenen Gebälk, den großen Räumen mit hohen Fenstern, einem wunderbaren Wintergarten mit Ausblick in die bezaubernde Nachbarschaft und mit dem überquellenden Reichtum an Anschauungsobjekten hat Atmosphäre und verbreitet Behagen.
Schön zu wissen, daß man an Wochenenden Zugang hat und lange auf bequemen Sesseln und Bänken sitzen kann, um die Umgebung auf sich wirken zu lassen. Achim Freyer, in der Erscheinung an Ezra Pound erinnernd, ist auf dem Bildschirm präsent und spricht zu seiner Sammlung, natürlich nicht belehrend, sonder munter plaudernd. Wohltuend!
 
 
Achim-Freyer-Stiftung
Kadettenweg 53  -  12205 Berlin
Tel.: +49 (030) – 833 93 14
info@freyer-art.de
 
Vom 5. April bis 30. November 2014 ist das Haus an den Wochenenden von 15.00-19.00 Uhr geöffnet.. In der Sommerpause vom 7.6. – 5.9.2014 bleibt das KUNSTHAUS geschlossen.
Die Besichtigung der Sammlung ist nur mit Führung möglich. Führung durch die  Sammlung: 14 € ermäßigt 5 €*
* für Schüler, Studenten, Schwerbeschädigte und Inhaber des Berlin-Pass
 
Die denkmalgeschützte Villa ist nicht barrierefrei. Besichtigung der Sammlung außerhalb der Öffnungszeiten und Gruppen ab 15 Personen nach  Anmeldung.
info@freyer-art.de
 
Mehr Informationen: www.achimfreyer.com/