Padermann Padermann stand vor dem Brotregal in der Bäckerei Lange und konnte sich nicht entscheiden. Er kannte nicht den Unterschied zwischen einem Canossabrot und einem Herbstliboribrot. Er dachte, vielleicht sollte man einem Brot einen Namen geben, der mehr über seinen Geschmack aussagt, als über die Zeit, in der es gebacken wurde. Es gab immer mehr Titel, die schmückten sich mit einem Ereignis, als daß sie wirklich etwas aussagten über Form und Temperament eines Brotes. Ganz anders das Paderborner Brot. Das Paderborner Brot glänzt durch Schlichtheit im Aussehen und glänzt durch einen einfachen Geschmack, der bewußt den darauf plazierten Belag in den Vordergrund stellt. So ist auch der Ostwestfale. Er ist einfach und läßt dem anderen gerne die Wirkung und den Erfolg. Der Paderborner ruht in sich und braucht keine Augenwischerei und Raffinesse. Das Paderborner Brot ist das gelungene Beispiel für einen traditionellen Brotnamen, der auch in einer modernen Welt seine Gültigkeit bewahrt hat. Es gab aber auch Gegenbeispiele, Padermann dachte da zum Beispiel an das Kosakenbrot. Wer wußte noch von den Spätgeborenen, wer die Kosaken waren? Wer wußte noch, daß sie für Mord und Plünderungen standen? Wer von den Fastfood-Verwöhnten wußte noch, daß es genau diese dunklen Seiten der Kosaken waren, die dem dunklen Roggenmischbrot seinen Namen gaben? Das Kosakenbrot soll satt machen, man kann es mit derbem Aufschnitt belegen, und man ißt es, indem man kräftig zubeißt. Vielleicht sollte man heute dem Kosakenbrot einen anderen Namen geben, den man wieder mehr mit der heutigen Zeit verbinden kann und der trotzdem diese dunkle Melancholie mit sich trägt. Padermann dachte an einem Namen wie "Das Politessenbrot". Dieser Name gab dem Brot seine Unnahbarkeit zurück und seine Würdigung für eine umstrittene Tätigkeit. Padermann erfährt von den sechs Vollkommenheiten Lange Zeit waren Padermann seine Superkräfte nicht bewußt gewesen. Er ging durch die Westernstraße, fuhr im Kaufhof Rolltreppe und schaute sich im Rennecke-Kino Bilder schöner Frauen an. Manchmal stand er auch im Zarnitz-Brotladen und trank eine Caprisonne. Einmal belauschte er ein Gespräch, welches die Zarnitz-Brotverkäuferinnen führten. Die jüngere der beiden Frauen stellte gerade ein Regal mit Paderborner Brot voll, als die ältere ihr von den Eigenschaften der Paderborner Paderquellarme berichtete. Sie erzählte von der Vollkommenheit des Gebens und daß die Börnepader für diese Eigenschaft stehen würde. Sie erzählte, daß die Gabe des Gebens auf alle Ostwestfalen gleichmäßig verteilt worden sei, aber nur derjenige, der in die Börnepader gefallen ist, wirklich in deren Besitz der Vollkommenheit gekommen ist. Padermann hörte zum ersten Mal bewußt von den Kräften dieses kleinen Flusses. Er hatte mal mitbekommen, wie die Bäckereifachverkäuferin von Fahney einen Kunden aufklärte, daß der kleine Dammpaderquellarm für die Vollkommenheit der Sittlichkeit stand, dies aber nicht mit sich in Verbindung gebracht. So erfuhr er damals nebenbei, daß das Baden in der Dammpader reinigend und erfrischend sein soll. Padermann war lange vollkommen sittlich gewesen, ohne es gewußt zu haben. Im Gegensatz zu vielen seiner Altersgenossen las er die Kirchenzeitung "Der Dom" und ahnte nun, dies könnte an der Vollkommenheit der Sittlichkeit gelegen haben. Padermann wurde neugierig. Er fragte die Kuchenverkäuferin vom Café Ostermann, ob sie etwas von den Eigenschaften der Dielenpader gehört hätte. Die weise Kuchenfrau drückte ihm einen Pickert in die Hand und sagte, daß sie diesbezüglich noch einmal ihre Kolleginnen von der Bäckerei Lange und der Bäckerei Goeken fragen müßte, dann könnte sie ihm in einer Woche von der Kraft der Dielenpader berichten. Nach einer Woche kam Padermann wieder und erfuhr von der Vollkommenheit der Geduld, die ein Bad in der Dielenpader auszeichnete. Jeder Paderborner ist im Besitz der Vollkommenheit der Geduld, aber weiß dies nicht, weil er dafür zu geduldig ist. Die Rothobornpader steht für heldenhafte Ausdauer, die Fußballer des SC Paderborn 07 sind im Besitz dieser Gabe. Sie waschen sich vor jedem Auswärtsspiel mit dem Wasser der Rothobornpader. Eine Bäckereifachverkäuferin des Bogenbäckers erzählte Padermann, daß der oft verschwiegene Masernpaderquellarm natürlich von der Vollkommenheit der Versenkung zeugen würde. Eine Eigenschaft, die man oft entdecken kann, wenn man im Winter durch die kleine Paderstadt zieht und Menschen erblickt, die auf einen Wunsch warten oder auf einen Auftrag von Gott. Padermann hörte im Café der Bäckerei Siebrecht von der Warmen Pader, daß das Bad in ihr mit der Vollkommenheit der Weisheit belohnt wird, denn wenn man schon in einen Paderquellarm fällt, dann ist das Bad in der Warmen Pader sicherlich am weisesten. Hier erfüllt sich die Vollkommenheit der Weisheit. So lernte Padermann von den Bäckereifachverkäuferinnen der Paderstadt und erkannte alle seine sechs Vollkommenheiten, die ihm der kleinste Fluß Deutschlands durch seinen Fall in alle sechs Paderarme geschenkt hatte. Er spürte aber auch, daß die Weisheit der Bäckereifachfrauen mit dem dauernden Umgang von Brot zu tun hatte, welches deswegen gerühmt wird, weil es das Paderwasser als Bestandteil enthält. © 2006 Erwin Grosche Redaktion: Frank Becker |