Lebenslauf

von Hanns Dieter Hüsch

Foto © Paul Maaßen
Zuerst kommen die
Die Dich umhegen und pflegen Dich sauber halten
Dich baden und ölen
Ein Nest bauen
Dich ermuntern zu sprechen Dir Schritte beibringen
Dich größer und größer ziehn
Dich in Kleider wickeln und für Dich einen Namen suchen

Dann kommen die
Die Dich begafen beschnüffeln betasten und tätscheln
Rasseln und Glöckchen mitbringen
Spiegel und goldene Löffel
Dreirad Schwammdose Tafel und Ranzen
Dich tagelang drehen und wenden
Damit Du der Feinste bist

Dann kommen die
Die Dich mustern und schätzen Dich loben und tadeln
Setzen und aufstehn
Dich bilden damit Du zum höheren Wesen langsam hinaufwächst
Mit Stöckchen auf Deine Finger schlagen
Auf daß Du Charakter und Rückgrat Dir anschaffst

Dann kommen die
Die Dir Berge und Flüsse zeigen
Eingerichtete Häuser Silbergruben und Aufsichtsräte

Dann kommen die
Die Dich anwerben für eine Sache
Für die man durchs Feuer gehn sollte
Am besten ist es natürlich
wenn andre durchs Feuer gehen
Darum sagen sie Dir
daß das Feuer auch nur vorübergehend
Und danach der Himmel wieder erscheinen würde

Dann kommen die
Die Dir die Kleider vom Leibe ziehn
Und Dich in Rüstungen stecken
Damit Du gegebenenfalls Dich Deiner Haut zu wehren weißt

Dann kommen die
Die Dich segnen und preisen
Weil von Berufs wegen das so üblich
Und dadurch die Kampfkraft erheblich wächst

Dann kommen die
Die Dich verbrennen mit Napalm und allerlei schon
bewährten Vernichtungsmaschinen
Die Dir beweisen daß das sehr schnell geht
(Sozusagen ruckzuck) und darum human ist

Dann kommen die
Die Dich zahlenmäßig erfassen
Und es nicht fassen können

Es sind dieselben
Die Dich umhegten und pflegten
Und für Dich einen Namen suchten
Die Dir Spiegel und goldene Löffel brachten
Die Dir Charakter und Rückgrat einbliesen
Dich sauber hielten
Dir Berge und Flüsse zeigten
Und von einer heiligen Sache sprachen

Und nun schon wieder dabei sind
Andere sauber zu halten
Um keinen Schweinestall aus dieser Erde zu machen
Denn so sauber wie ihre frömmelnden Finger
Sind ihre glühenden Ofen und Bomben

So sauber wie ihre Gesinnung
Sind ihre Zähne
Die sie in Menschen schlagen
In roher Gesundheit

So schnell wie sie alles sauber halten
Ist auch Dein Tod
Damit nicht Fliegen und Geier die Gegend bevölkern
Schicken die sauberen Herren das schmutzige Volk
unter die Erde.

Wann schickt das schmutzige Volk die sauberen Herren
in ihren mit allen Wassern gewaschenen Hımmel?


1968
 

© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus dem Band "Den möcht´ ich seh´n..." in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Das Foto stellte freundlicherweise Paul Maaßen zur Verfügung.