Glanzvoller Auftritt

Valeriuy Sokolov und Toshiyuki Kamioka mit Brahms und Schumann

von Johannes Vesper

Glanzvoller Auftritt
 
Valeriuy Sokolov und Toshiyuki Kamioka
mit Brahms und Schumann beim 8. Sinfoniekonzert Wuppertal
 
Die Zeit mit Toshiyuki Kamioka geht für das Wuppertaler Konzertpublikum zu Ende. Der Dirigent, der in der prächtigen historischen Stadthalle seit 2004 die Zuhörer begeisterte und das Orchester enorm vorangebracht hat, will zurück nach Japan. Im 8. Sinfoniekonzert der laufenden 152. Konzertsaison waren am vergangenen Sonntag und Montag unter seiner Leitung das Violinkonzert von Johannes Brahms und Schumanns 2. Sinfonie zu hören. Vom Publikum wurde der Maestro lebhaft begrüßt.
 
Das Brahmssche Violinkonzert gilt wegen seiner technischen Schwierigkeiten für nahezu unspielbar und wurde von dem Stargeiger des 19. Jahrhunderts Joseph Joachim dazu noch durchaus schnell gespielt. Seine Änderungsvorschläge wurden von Freund Johannes kaum akzeptiert. Aber heutzutage schrecken auch junge Geiger bei hohem technischem Niveau vor dem Werk nicht zurück. Valeriuy Sokolov, 1986 in der Ukraine geboren, erhielt Geigenunterricht an der von Yehudi Menuhin 1963 in Surrey gegründeten Musikschule und studierte dann am traditionsreichen Royal College of Music in London. Er spielte mit berühmten und weniger berühmten Orchestern zusammen, ist auf wichtigen Festivals präsent und wird zusammen mit dem Wuppertaler Sinfonieorchester am 28.04.15 in Göppingen und in 3 Wochen in Mailand mit diesem Programm gastieren. Spannungsreich wechseln die Harmonien mit langem Atem und intensiver Tongebung des Orchesters bevor die Solo-Violine - eine Stradivari aus dem Jahre 1703 - mit großem edlem Ton die Führung übernimmt. „Sein Violinspiel verdient jeden Superlativ“ heißt es auf seiner Webseite. Wie wahr. Mühelos perlen die gebrochenen Akkorde über dem behutsam musizierenden Orchester. Die kammermusikalische Erfahrung des Solisten verbindet sich hier auf das Feinste mit der des aufmerksamen Sinfonieorchesters. Atemberaubende Doppelgriffpassagen, subtile Agogik, energische Dynamik und großer Geigenton über düsterem Orchestertremolo schlagen das Publikum in den Bann. Großer Applaus, der mit Fritz Kreislers Rezitativ und Scherzo als Zugabe belohnt wurde. Angedeutete Glissandi und mörderische Virtuosität endete endlich mit einem letzten Pizzicato.  
 
Johannes Brahms war von Robert Schumann in einem seiner letzten Artikel als starker Streiter in die Musikwelt eingeführt worden. Schumann selbst wurde mit seiner Neuen Zeitschrift für Neue Musik zunächst als Musikkritiker berühmter denn als Komponist. Mit Neben- und chromatischen Zwischentönen, mit Synkopen und Überschneidungen, mit der charakteristischen Polyphonie im Gefolge Bachs spiegelt die Schumannsche Musik Empfindungen und geheime Seelenzustände wieder, „in Harmonien sein Inneres aussprechend“ schrieb Robert Schumann, und man erahnt die moderne Musik. Clara Schumann erwärmte und begeisterte diese 2. Sinfonie, die eigentlich seine 3. ist, wegen ihres Schwungs und ihrer tiefen Leidenschaft ganz besonders. Robert Schumann hatte die gegensätzlichen, gespaltenen Empfindungen, die seine Musik widerspiegelt, literarisch personifiziert: Florestan voranstürmend, Eusebius sanft und lyrisch. Die beiden kämpfen auch in dieser Sinfonie, deren Satzfolge schon - der 2. Satz ein Scherzo - den Zuhörer überrascht. Quinten der Bläser eröffnen diese Sinfonie und nach einem wichtigen Orchesterschlag nimmt der 1. Satz Fahrt auf. Im rasanten Scherzo wechseln die Streicher in gedoppelten Sechzehntel mit den Triolen der Bläser. Und unter höchster Konzentration der Musiker nimmt das Tempo zu. Entstanden ist die Sinfonie 1845 nach der Rußlandreise mit Clara, unter deren Strapazen sich seine Nervenerkrankung weiter entwickelt hatte. So beherrscht Eusebius das traurige, elegische Adagio, bevor im 4. Satz molto vivace der Charakter Florestan wieder die Überhand gewinnt und die Sinfonie ihrem Ende entgegen rast. Ein glanzvolles Konzert, erneut viel Applaus und Blumen für Kamioka, der, auf das Dirigentenpodest springend, mit einem ungarischen Tanz von Brahms für großes Orchester den Abend glanzvoll beschließt.   
 
Dr. Johannes Vesper