Wir können Möbel

von Fritz Eckenga

Foto © Frank Becker
Wir können Möbel
 
Tja - Viele Fragen bewegen seit Menschengedenken die Welt. Einige konnten inzwischen beantwortet werden. „Dreht sich die Erde um die Sonne?“ Jou. „Warum fliegen Flugzeuge?“ Damit Deutsche schneller nach Mallorca kommen. Und: „Wer ist die Beste?“ Mutti.
Immer noch nicht gelöst werden konnten dagegen folgende Rätsel: „Gibt es intelligentes Leben auf der Erde?“ „Existiert Gott?“ Vor allem aber: „Was ist das da eigentlich immer für’n  Quatsch mit diese scheiß deutsche Sprache?“
 
Gut – ich will jetzt hier nicht die ganze Zeit den Sprachspießer raushängen lassen, aber – Herrschaften – auf bestimmte Fehlentwicklungen muß doch mal deutlich … bevor man quasi ganz VON VORN anfangen muß … und ich spreche jetzt ausdrücklich nicht von der Digital-Müllhalde – also zum Beispiel von Internetforen, wo man so schreiben darf, wie man spricht, damit man auch mal lesen kann, was man denkt. Da ist ja längst alles im Pansen, und wenn nicht, isses im Arsch.
 
Nein, die Rede ist jetzt mal nicht vom Digital-Dummquatsch, sondern vom ganz gewöhnlichen analogen Analphabetismus – vom öffentlichen Raum. Also das, was man früher „draußen“ nannte. Letztens fahr’ ich auf der Autobahn-Nummer zwei in Richtung Hannover und draußen sauste das Münsterland vorbei und der Bielefelder Raum – also das Ostwestfälische. Ein Draußen, das für vieles völlig zurecht nicht bekannt ist: Für mediterrane Lebensweise, für nicht verklinkerte Einfamilienhäuser, für geschmackvoll gekleidete Radfahrer. Ein Draußen, das dafür aber alle paar Kilometer mit beeindruckenden Industriegebäudekomplexen aufwartet, die sich äußerlich kaum unterscheiden, in denen drinnen aber ganz unterschiedlich nützliche Dinge produziert werden: Zum einen tote Schweine. Zum anderen tote Brocken. Brocken, die sich die Menschen in die Buden stellen, damit sie sich an irgendwas die Füße stoßen können – also Möbel – übrigens in erheblicher Stückzahl auch die sogenannte weiße Ware, Küchenmöbel – etwa Kühlschränke, in denen der Haustierfreund tote Schweine bei sich wohnen läßt.
 
Und damit jeder, der dieser gigantischen Produktions-Hallen ansichtig wird, weiß, was die Produzenten da drinnen können, schreiben sie’s draußen dran. Ich sah’ es – ich las es – seitdem weiß ich’s. Und damit sie nicht dümmer nach Hause geh’n, als sie gekommen sind, sollen sie’s auch wissen. Jetzt. Achtung! Da stand: Wir können Möbel.
Ich bin direkt in die Eisen gegangen, kam auf der Kriechspur zum Stehen und eröffnete sofort das Feuer. Das heißt, ich wollte das Feuer eröffnen und eine Blitzmail abschicken. Ging aber nicht. Ostwestfalen ist auf sowas vorbereitet. Die haben keine Firewall. Viel einfacher: Die haben kein Netz. Mir blieb keine Wahl. Ich mußte auf ein uraltes Kommunikationsmittel zurückgreifen: Ich stieg’ aus und habe einen offenen Brief geschrieen:
Wir können Möbel? Aha! Wir können also Möbel! Ja was denn? Popeln? Pupsen? Rülpsen? Oder können wir Möbel sogar essen? Ja, vielleicht können wir ja wenigstens das.  Irgendwas werden wir ja wohl können, wenn wir schon nicht schreiben können. Manche können ja sogar Lebensmittel. Und noch andere können Lebensmittel lieben. Wir lieben Lebensmittel. Gibt es eigentlich schon Standesämter, auf denen man tote Schweine heiraten kann?
 
Hallo Kundschaft: Wir können Möbel. Du verstehen? Ja sicher. Du verstehen ja auch Plastikkarte in Wand stecken und Spucki tut Geld raus, ne? Jaha. So geht Bank. Und du verstehen Tür auf und reinsetz und brummbrumm und fahr’n Möbelmarkt. So geht Auto. Ach, Auto geht nicht? Is Auto putt? Macht nix. Wenn Auto geht nicht, Möbel kommen. Wir können nicht nur Möbel. Wir können Möbel sogar bringen. Und wißt ihr auch, wozu? Zu Hause.
 
Mit dem Ausdruck größter Verachtung!
Eckenga  
(nach Diktat unmöbliert verzogen.)
 
 
© Fritz Eckenga
Redaktion: Frank Becker