Max Reger zum 100. Todestag

Ein Konzert in der Wuppertaler Immanuelsirche

von Johannes Vesper

Max Reger 1895
Max Reger zum 100. Todestag
Ein Konzert in der Immanuelsirche
 
Am 11. Mai 1916 starb Max Reger, und genau 100 Jahre später trafen sich in der Immanuelskirche zu Wuppertal-Oberbarmen Orgelfreunde, um einem interpretatorischen Kolloquium zwischen sechs Wuppertaler Organisten und Max Reger selbst zu lauschen. Seine Werke werden im Gegensatz zu denen seiner berühmten Zeitgenossen Gustav Mahler oder Richard Strauß eher selten aufgeführt. Dabei gehören die mächtigen Choralfantasien für Orgel zu den bedeutenden Musikwerken ihrer Zeit. Und Max Reger selbst war auch zu hören? Tatsächlich hat der Komponist und berühmte Klavier- bzw. Orgelvirtuose einige seiner Werke für die Freiburger Firma Welte & Söhne sowohl auf dem Reproduktionsklavier als auch auf der Welte-Orgel eingespielt. Aufnahmen dieser Einspielungen stehen zur Verfügung und dem andächtigen Publikum in dieser denkwürdigen Nacht dargeboten. Beim Welte-Mignon-System werden die gespielten Töne auf Lochkarten gespeichert, die über eine Walze laufend in einer speziell dafür gebauten Orgel (bzw. Klavier) wieder erklingen und zwar genau so, wie der Interpret sie zuvor eingespielt hat.

Stefan Starnberger eröffnete die Wuppertaler Orgelnacht (19-23 Uhr) mit Bachs Toccata und Fuge in F-Dur BWV 540 in fließenden Tempi und eleganter Phrasierung. Von J.S. Bach und seiner komplexen Polyphonie wurde Max Reger stark beeinflußt und geprägt. Mit der Choralfantasie „Wachet auf ruft uns die Stimme“ (Op. 52. Nr. 2) – das Motto verliert seine Aktualität nicht! - eröffnete Wolfgang Kläsener die mystischen Klangwelten Max Regers („Mitternacht heißt diese Stunde“), dessen Musik aber auch vom „Himmel prächtig“, von Gloria und Halleluja kündet. Zwischen Brahms und Wagner entwickelte Reger seine Musik. Immerhin beschloß er unter dem Eindruck des Parsifal, den er 1888 in Bayreuth hörte, Musiker zu werden. Mehr geliebt hat er aber anscheinend Johannes Brahms. Nach der ersten Pause, in der zu Häppchen, Wasser und Wein geladen war, dann Regers Fantasie und Fuge in d-moll (Op. 135 b). Achim Maertins war im Zwiegespräch über seine Beziehungen zum Komponisten mit Wolfgang Kläsener zwar kaum zu verstehen, aber an der Orgel streckte er alle Viere von sich, um tobende Klangmassen, anrührende Pianissimi und atemlose, virtuose Läufe den 4 Manualen der großen Schuke-Orgel zu entwinden. Für Regers Introduktion und Passacaglia d-Moll legte dann Christian Auhage gar das Jackett ab und der Schweller zittert sichtbar im Luftstrom der tönenden Orgelwerks, wenn nach zart gehauchtem Passacaglia Thema im Pianissimo später dann die gewaltigen, gebrochenen Klangkaskaden über dem strengen Ostinato und den Zuhörer im abgedunkelten Kirchenschiff hereinbrechen. Auch hier viele Noten, aber keine zu viel, wie Max Reger versicherte. Und die Bachsche Fuge in e-Moll strömte kraftvoll im Klang, wohl strukturiert, gewaltig und konsequent ihrem Ende entgegen, Soli deo gloria! So läuft die Bachsche Zeit ab und endet in strahlendem Dur. Über die gekrümmte Raumzeit denken Physiker seit Einstein nach. Sollen sie. Im musikalischen Strom Bachscher Werke erfährt der sensible Zuhörer die Zeit selbst. Nach der 2. Pause blieben aus dem Publikum nur die Besten, die anderen mußten auf Regers 2. Sonate in d-Moll (glänzend: Dietrich Modersohn) verzichten und Simon Botschen rundete das Bild Regers und seiner Zeit ab mit „Gloria in excelsis deo“, bzw. „Te deum laudamus“ von Max Reger sowie mit Orgelstücken seiner Schüler (Johanna Senfter, Fritz Lubrich, Karl Hoyer). Vor den Pausen jeweils und zum Schluß spielte Max Reger selbst, der anscheinend das Schwellwerk besonders geliebt hat, wobei er seine großen Werke nicht mit der Welte-Technik konserviert hat. Über Lautsprecher erklangen ein Moment musical, eine Romanza, ein Ave Maria u.a. Natürlich ist der Klang der Lautsprecher mit dem der lebendigen Orgel nicht zu vergleichen, aber die Zuhörer waren von diesen alten Tondokumenten doch fasziniert.
Wolfgang Kläsener moderierte diese wunderbare Orgelnacht sachkundig und interessant mit einem Querschnitt seiner Orgelmusik zum 100-jährigen Todestag Max Regers, veranstaltet vom Freundeskreis der Wuppertaler Orgeltage (in Verbindung mit der Kantorei Barmen-Gemarke und dem Förderverein Kulturzentrum Immanuelskirche) und machte Lust auf „Orgel open air“ am 28.05.2016 (15-21 Uhr) im Skulpturenpark Waldfrieden Tony Craggs: Orgeln von Bach bis Jazz und Weltmusik, Grenzüberschreitungen mit Orgeln in freier Natur (www.orgel-open-air.de).
 
 
Johannes Vesper