Eine Rose aus Papier

von Hanns Dieter Hüsch

Foto © Frank Becker
Eine Rose aus Papier
 
Andere Männer schießen ihren Frauen Rosen aus Papier, warum schießt Du mir keine Rose aus Papier, sagte meine Frieda, als wir gerade drei Eis, einen Rollmops, eine Limonade und zwei Stangen Lakritz intus hatten. Weißt Du, sagte ich, um Zeit zu gewinnen, das mit dem Zielen, mit Kimme und Korn und das alles, das ist genau so, als wenn ich einen Nagel in die \/\/and schlagen müßte. Aber andere Männer schießen ihren Frauen eine Rose aus Papier, sagte Frieda. Ich sagte, andere Männer sind eben andere Männer, andere Männer können eben gut zielen, und dann gibt’s einen Blattschuß. Ja, sagte Frieda, Blattschuß, das hab ich schon mal gelesen, Blattschuß, das ist doch, sagte sie …  Ja, Blattschuß ist, sagte ich, wenn …  Laß doch die dummen Rosen. Komm, wir spielen mal Großes Los. Ich hatte verteufeltes Glück. Wir gewannen einen Teddybär. Ich sagte, Mensch, Frieda, wer hätte das gedacht, mehr wolln wir ja gar nicht. Frieda strahlte, die ganze Welt strahlte. Was doch so ein Rummelplatz alles aus einem machen kann. Stell Dir vor, sagte Frieda, wenn wir jetzt noch für den Teddy eine Rose aus Papier schießen würden. Andere Männer wurden ihrem Teddy bestimmt eine Rose aus Papier schießen. Hör doch auf mit den anderen Männern, sagte ich. Andere Männer gehen mich nichts an, andere Männer sollen schießen, so viel, wie sie wollen, ich …  

Ich ging also hin und kaufte mir drei Schuß. Drei Schuß 50 Pfennig, sagte die Dame mit den Mordsohrringen. Vielleicht die rote oder die gelbe, der Herr, oder da oben die große weiße? Ich sagte gar nichts. Ein kleiner Mann sagte, nun zeigen Sie mal, was Sie gelernt haben! Ich hatte nichts gelernt. Ich schoß dreimal daneben. Es regte sich nichts. Die Rosen standen still. Die waren das gar nicht gewohnt. Wohl noch nicht gefrühstückt, sagte der kleine Mann, Frollein, geben Sie mir mal drei Schuß, jetzt wollen wir Alten den Jungen mal zeigen, wie geschossen wird. Ich hätte vor Wut aus einer Riesenluftschaukel springen können. Komm, sagte da die Frieda. Komm doch, nun komm schon, das sind doch alles schlechte Gewehre hier, komm, wir gehen zu dem Mann mit dem Schlangenleib, der soll so gut sein. Ich sagte, Frieda, ich … ich, ich kauf Dir ein paar Rosen, richtige Rosen. Ja, sagte Frieda, ich hab ja nicht gewußt, daß Schießen so schwer ist, vielleicht auch nur das Abdrücken, sagte sie, aber ich wollte ja nur die Blumen. Jaja, sagte ich, und wir rannten zu der Bude mit dem Schlangenleibmann, und die anderen Männer hatten alle Rosen aus Papier, aber wir kauften uns richtige Rosen.

Und das war ein verteufeltes Glück.
 
  Aus: Frieda auf Erden/Ich möcht ein Clown sein (1959/2002)

© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung  in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung