Da geht einem das Herz auf

Claire Huangci – „A Chopin Diary – The Complete Nocturnes“

von Sabine Kaufmann

Cover-Foto: Matuesz Zahora
Claire Huangcis
ganz persönliches
Chopin-Tagebuch
 
Mit der Gesamtaufnahme der Nocturnes von Frédéric Chopin präsentiert Claire Huangci als ausdrucksstarke Chopin-Interpretin erstmals nach Artur Rubinstein die Nocturnes in ihrer Gesamtheit. Noch während der Hintergrundrecherche zu Chopins Werk stieß sie immer wieder auf Gedichte von französischen Poeten, wie z.B. Charles Baudelaire, Victor Hugo oder Tristan Corbière. Sie begann Verbindungen zu ziehen und fand für jedes Nocturne von Chopin ein Gedicht aus der gleichen Zeit. Die passenden Stellen finden sich nun im Booklet der CD wieder. Claire Huangci schreibt dazu: „Möglicherweise ergänzen sie das Hörerlebnis um eine zusätzliche Dimension, damit sich alle ein Bild davon machen können, was ich mir beim Spielen vorstelle. Ich hoffe sehr, daß diese wunderbaren Zeilen als Impulsgeber dienen, die Fantasie der Zuhörer zu beflügeln und ein ganz eigenes Chopin-Tagebuch entsteht.“ So zeigt Claire Huangci ihre ganze künstlerische Reife und setzt ein großes Ausrufzeichen in der Chopin-Rezeption.
Frédéric Chopin war für Claire Huangci ein besonderer Wegbereiter. Als Wunderkind lernte sie bereits in jungen Jahren seine Werke kennen und wuchs mit ihnen auf. Sie waren entscheidend für ihren persönlichen und künstlerischen Werdegang. Durch unzählige Konzertauftritte, Stipendien und etliche Auszeichnungen machte die junge Pianistin international Karriere. Ein virtuoses Leben zwischen Kurz- und Langstreckenflügen, New Yorks Carnegie und Osakas Symphony Hall, dem Elternhaus in Philadelphia oder dem Gewandhaus in Leipzig. Dabei spielte sie unter anderem Konzerte mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart, dem China Philharmonic Orchestra, der Indianapolis Symphony und der Moscow Radio Symphony. Nicht nur ihre Lehrer wie Eleanur Sokoloff, Gary Graffman und Arie Vardi begleiteten sie auf diesem Weg, sondern eben auch der Komponist Frédéric Chopin. Seiner Musik verdankt sie ihren künstlerischen Durchbruch. Immer wieder analysiert, dokumentiert und porträtiert sie Chopin. In ihrem neuen Album verarbeitet Claire Huangci all diese Erfahrungen und Erkenntnisse zu einem „Chopin-Tagebuch“.
Die Nocturnes sind der Inbegriff von Chopins künstlerischem Schaffen. Sie spiegeln die Empfindungen eines Komponisten in Zeiten der aufkommenden Romantik wider und sind zugleich Zeugnis eines unsteten Daseins zwischen künstlerischem Zuspruch, zerrütteter Gesundheit und ungewisser Zukunft. Komponiert in häuslicher Geborgenheit, zur beginnenden Nacht und in Reflektion eines einnehmenden künstlerischen Alltags. Sie gelten als formvollendet und vereinen alle stilprägenden Stimmungen in bis dato unerhörter Virtuosität. Einige der insgesamt 21 entstandenen Nocturnes gehören zum Standardrepertoire für junge Pianisten, Claire Huangcis Zugang ist aber doch ein ganz eigener, besonderer. Sie komplettiert das Gesamtwerk mit der Nocturne Oubliée und der Étude in cis-Moll, das sie zusammen mit dem Cellisten Tristan Cornut aufgenommen hat.“
 
Ergänzend zu diesem präzise auf den Punkt gebrachten Pressetext von Berlin Classics bleibt, den Höreindruck – nein, das Hörerlebnis zu vermitteln. Das frische, gelegentlich angezogene Tempo, mit dem Claire Huangci, anders als z.B. Peter Schmalfuss, Jennifer Lim oder Brigitte Engerer ihre dennoch zarte, außerordentlich sensible Interpretation anlegt, bekommt den Nocturnes außerordentlich gut. Kultiviert, mit feinsten Akzenten, poetischem Anschlag und voller Seele sind die Nocturnes unter ihren Händen ein klarer Ausdruck des Verständnisses der Pianistin mit dem Komponisten. Chopin, als „Wunderkind“ apostrophiert, trifft auf eine Interpretin, die in ihrem 27. Lebensjahr sein geniales romantisches Werk der Nocturnes, entstanden zwischen 1827 und 1846 für Piano solo, mitreißend, ja kongenialnicht nur nach- sondern spürbar mitempfindet.
Die beiden CDs dieses erlesenen Doppelalbums schenken dem empfindenden Hörer mal um mal zwei Stunden vollständiger Kontemplation. Sich diese Zeit ungestört ab und an zu gönnen, ist jeder Hörer, ist jede Hörerin gut beraten. Wie sagt man heute: Runterkommen. Das schafft man mit Claire Huangcis „A Chopin Diary“. Als abschließendes Bonbon, anders kann ich es nicht bezeichnen, wurde Chopins Etude op. 25, No 7 angefügt, bei der Tristan Cornut am Cello zu Claire Huangci tritt. Da geht einem das Herz auf. Das brillante Album bekommt die Musenblätter-Auszeichnung, den Musenkuß.
 
Claire Huangci – „A Chopin Diary – The Complete Nocturnes“
© + (P) 2017 Edel Germany / Berlin Classics (2 CD)
Claire Huangci (Klavier) – als Gast bei Chopins Etude op. 25, No 7: Tristan Cornut (Cello)
Gesamtzeit: 117 Minuten
 
 
Weitere Informationen: www.berlin-classics-music.com