Meister-Marke-Moderne: Lukas Cranach d.Ä.

Ausstellung in Düsseldorf und Katalog bei Hirmer

von Johannes Vesper/Bec

Lucas Cranach d.Ä - Venus und Amor
Meister-Marke-Moderne:
Lukas Cranach d.Ä.

Ausstellung in Düsseldorf
und Katalog bei Hirmer
 
 
Über 1600 Gemälde, ca. 14.000 Abbildungen von und 6500 Textseiten zu Lucas Cranach d.Ä. sind jedem Interessierten zugänglich auf der Webseite www.lucascranach.org . Geplant wurde diese offene Forschungsplattform in Köln (Kunsttechnologie und Restaurierungswissenschaft an der TH Köln) und Düsseldorf (Restaurierungszentrum der Landeshauptstadt Düsseldorf). Kein Zufall, daß im Zusammenhang damit schon vor Jahren die Idee zu einer Ausstellung entstand, um ein breiteres Publikum an der Faszination der Originalwerke teilhaben zu lassen.
 
Die Erfindung des Buchdrucks 1452 durch Johann Gensfleisch, genannt Gutenberg, ermöglichte den Druck von Texten zusammen mit Bildern. Der Holzschnitt war mit zunehmender Verbreitung des Papiers in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts zunächst bei der Herstellung von Kartenspielen populär geworden. In der Kombination von Holzschnitt und Buchdruck konnten Nachrichten, Meinungen und Thesen als Flugblätter oder als Plakate an Kirchentüren verbreitet werden. Damit ging das „finstere“ Mittelalter zu Ende. Bilder und ihre Sprache waren in diesem Zusammenhang auch deswegen so wichtig, weil damals bei weitem nicht jeder lesen konnte. Zu Luthers (1483-1547) Zeiten hatte sich die Malerei nach der „Erfindung des Gemäldes“ in Flandern (J.v. Eyck, Hans Memling u.a.) im 15. Jahrhundert bis nach Deutschland ausgebreitet. Mit Hans Holbein d.Ä. (1465-1524), Albrecht Dürer (1471-1528) und Matthias Grünewald (1475/80?-1528), Albrecht Altdorfer (1480?-1538) und Hans Baldung (1485-1545) gab es eine erste Hochblüte der Malerei in Deutschland, die als deutsche Renaissance Reformation und Humanismus wie auch das Kunstinteresse von Fürsten und Patriziern (z.B. in Augsburg und Nürnberg) widerspiegelt.
Dazu gehörte auch Meister Lucas Cranach, der 1472 im fränkischen Kronach bei Bamberg als Hans Moller geboren wurde. Ersten Malunterricht bekam er vom Vater. Mehr weiß man über seine Ausbildung und Jugend nicht. Erst mit ca. 30 Jahren taucht er in Wien auf, Zentrum des Habsburger Reichs unter Kaiser Maximilian, und wird doch tatsächlich aus Wien von Friedrich III., dem sächsischen Weisen, als Hofmaler nach Wittenberg an die Grenzen der damaligen Zivilisation berufen. Inzwischen nannte er sich nach seiner Geburtsstadt Cranach. Das kleine Wittenberg war als Residenzstadt von Kursachsen nach der Leipziger Teilung Sachsens 1485 auf seine Identität und Ausstrahlung bedacht. So baute man die Stadt aus, baute Schloß und Festung und förderte Kunst und Wissenschaft (Universitätsgründung 1502). Politikberatung durch Wissenschaft (zumeist Theologie) war damals in Kursachsen selbstverständlich. Meister Cranach produzierte in seiner Werkstatt Kunst, förderte als Hofmaler mit seinen Bildern das landesherrliche Prestige und besorgte später die Ausgestaltung verschiedener Schlösser seiner Herrschaft.


Cranachhof - Foto © Johannes Vesper
 
Er gehörte In Wittenberg bald zur Gesellschaft, betrieb er doch eine Apotheke am Markt und wurde mit Malaufträgen vom ernestinischen Fürstenhaus gut bedacht. 1508 reiste er nach Mechelen und Antwerpen, holte sich künstlerische Anregungen und kaufte ein Faß (Wein?), welches er sich über Köln und Frankfurt nach Hause kommen ließ. In diesem Jahr erhielt er vom Kurfürsten auch sein Wappen: die geflügelte, bekrönte Schlange mit einem Ring im Maul. Dabei wirkte er nicht nur als Hofmaler, sondern quasi als Designer: lieferte Entwürfe für Teppichknüpfer,

Lucas Cranach d.Ä - Martin Luther
Goldschmiede und Schlosser. Nach seinen Entwürfen wurde nicht nur die Hofgarderobe geschneidert sondern wurden auch Pfefferkuchenformen hergestellt. Er malte schnell, verkaufte seine Bilder, sozusagen sein Markenprodukt mit Siegel, in ganz Europa, von Paris bis Königsberg, bis Krakau und Olmüz, von Verona bis Hamburg. Wieweit die Mitarbeiter seiner Werkstatt an der Produktion seiner Werke Anteil hatten, wann genau sein Sohn die Werkstatt übernommen hat und den Stil bestimmte, darüber zerbrechen sich Kunsthistoriker seit langem und inzwischen mit modernen kunsttechnologischen Methoden den Kopf. Jedenfalls bedurfte die Herstellung und Farbgebung von Wappen, Turnierdecken, Rüstungen, Schilden und Hellebarden über Jahrzehnte einer differenzierten Arbeitsteilung und rationaler Werkstattorganisation. Cranach war nicht nur Meister seiner erfolgreichen Werkstatt sondern engagierte sich für 25 Jahre als Ratsherr und Kämmerer in Wittenberg, konnte aber als Politiker die Mäuseplage und die Verschlechterung der Versorgungslage nicht verhindern. Als Luther nach Wittenberg kam, freundeten sich die beiden an und Luther wurde Taufpate von Cranachs Tochter Anna (1520). Einige Jahre später (1525) bat Luther Cranach als Trauzeuge zu seiner Hochzeit mit Katharina von Bora, die nach ihrer Flucht aus dem Kloster Nimbschen bei Cranach vorübergehend aufgenommen worden war.
 
Erste Aktbilder stammen von Albrecht Dürer. Aber Cranach entwickelte diesen Bildtypus - er nannte sie „nackete Bilder“ - weiter und damit auch seine Stellung als „Primus inter pares“ unter den deutschen Renaissance-Künstlern. Vor allem aber malte und druckte Cranach Luther und seine Familie. Luther war sich bewußt, daß seine Reformation in Wort und Schrift und er selbst nur mit Hilfe von Cranachs Druckgrafik und seinen Porträts in Deutschland und Europa so bekannt und  erfolgreich werden konnten. Dank Cranach wurde Luthers Schlüsselerlebnis 1515 auf der Toilette (oder doch im Turmzimmer?) bei der Lektüre des Römerbriefs in ganz Europa diskutiert. Die dort gewonnenen Glaubensgewißheiten zur Gerechtigkeit und Gnade Gottes, zu Buße und zur Nichtigkeit menschlicher Leistung wurden mit der modernen Drucktechnik erfolgreich verbreitet werden. Dabei waren die Zeitgenossen damals seinen Ratschlägen per se nicht abgeneigt, wenn er empfahl: „sündigt mutig, damit ihr der Gnade teilhaftig werdet“.
 
Wie können wir uns Lucas Cranach vorstellen? Wie hat er ausgesehen? Es gibt von ihm einige Selbstbildnisse, die aber bis auf eines alle in Bildgeschichten integriert sind. Als Hellebardenträger ist er auf seinem Bild „Enthauptung des Johannes“ zu identifizieren. Beim „Gastmahl des Holofernes“ sitzt er nicht zusammen mit der schönen Judith an der Tafel sondern guckt sich die Szene fast von außerhalb des Bildrahmens, von ganz links aus an. Das einzige Selbstporträt im engeren Sinne zeigt vor dunklem Hintergrund sein Gesicht mit geschlossenem Mund bei leichter Neigung des Kopfes nach rechts, den Betrachter aufmerksam fixierend. Der dunkle Hintergrund läßt Einzelheiten nicht erkennen. Cranachs Sohn porträtierte den würdigen Vater, als dieser im Alter von 77 Jahren seinem Landesherrn in die Haft nach Augsburg und Innsbruck folgte. Johann Friedrich gehörte zu den Verlierern des Schmalkaldischen Krieges (Schlacht von Mühlberg 1547), kam in Haft, verlor seine Kurwürde und große Teile seines Landes. 1552 konnte der Fürst mit seinem Hofmaler in seine neue Residenz nach Weimar ziehen. Lucas Cranach starb dort bei seiner Tochter 1553.


Lucas Cranach d.Ä., Judith an der Tafel des Holofernes - Ausschnitt
 
Das Werk Lucas Cranach d.Ä. wurde in der Düsseldorfer Ausstellung umfangreich dargestellt. Zur Ausstellung im Museum Kunstpalast erschien ein großer Katalog (s.u.) im Hirmer Verlag mit vorzüglichen Abbildungen und kenntnisreichen Essays u.a. zu Leben und Werk, zum Verhältnis Cranach-Martin Luther, zu L. Cranach als Zeichner und zu seiner Rezeptionsgeschichte. Eine Fundgrube zu Lucas Cranach d.Ä. und seiner Zeit.
Die Ausstellung im Museum Kunstpalast (Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf) läuft bis zum 30.07.2017.
 
Lucas Cranach der Ältere; Meister-Marke-Moderne - herausgegeben von Gunnar Heydenreich, Daniel Görres und Beat Wismar
© 2017 Hirmer Verlag, 340 Seiten, 377 Abbildungen; ISBN 978-3-774-2744-7
51,30 €