Kauft bei Juden!

Geschichte einer Wiener Geschäftskultur in Jüdischen Museum Wien

von Renate Wagner

Wien - Jüdisches Museum:
Kauft bei Juden!
Geschichte einer Wiener Geschäftskultur
Ausstellung bis zum 19. November 2017
 
Eine verlorene Welt
 
Als Paula Wessely in dem Film „Heimat“ den berüchtigten Satz sagte: „Wir kaufen nicht bei Juden“, markierte das ein Ende. Jahrhunderte lang war es anders gewesen. Bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte man sehr wohl „bei Juden“ gekauft, besonders intensiv in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als es vor allem jüdische Unternehmer waren, die die „Erlebniswelt“ der Großkaufhäuser kreierten. Kaum noch klägliche Reste davon sind in Wien vorhanden. Das Jüdische Museum hat Erinnerungsstücke an eine glanzvolle Geschäftskultur – Kultur im vollsten Wortsinn – zusammengetragen.
 
Von der Geschichte verweht…
 
Welche Namen kennt man noch außer „Gerngross“, und das ist heute ein Kaufhaus-Kramladen wie alle anderen, bar jeder Eleganz. Ältere Wiener werden sich noch daran erinnern, daß es daneben den „Herzmansky“ mit seiner opulenten Fassade gab. Wenn zu Beginn der „Kauft bei Juden“-Ausstellung eine Liste bedeutender Namen ehemaliger jüdischer Geschäfte zu lesen ist, dann existieren gerade noch zwei Etablissements – Knize am Graben und Jungmann & Neffe am Albertina-Platz. Doch wo sind die Zeiten, da am Looshaus noch „Goldmann & Salatsch“ stand. Und als man auf die Frage, wo der Stephansdom sei, antwortete: „Vis a vis vom Rothberger“ – ein prachtvoller Einkaufspalast, der sich über drei Häuser erstreckte. Entstanden in den liberalen Jahrzehnten der Herrschaft von Kaiser Franz Joseph, der Karl Lueger verhindert hätte, wenn es ihm gelungen wäre, hinweggefegt innerhalb kürzester Zeit nach dem Anschluß 1938.
Einkaufen als Erlebnis Da so gut wie alle Länder, in denen sie lebten, den Juden Grund und Boden versagten, waren viele von ihnen im Lauf ihrer Geschichte als Händler tätig. Sie hatten dafür ebenso Talent wie für das „Showbiz“ (wie sich später in der Filmbranche zeigte). Im Rausch der Gründerzeit wurden die großen Warenhäuser geboren, „Paläste des Konsums“ (alte Fotos zeigen, welchen Glanz der riesige offene Innenraum von Gerngross einst ausstrahlte). Einkaufen wurde von der Notwendigkeit zum Vergnügen, zur Freizeitbeschäftigung.
 
Jüdischer Unternehmergeist
 
Viele Wiener Unternehmen dieser Art wurden von jüdischen Familien etabliert – Gerngross, Zwieback, Jacob Rothberger, Braun & Co, Goldman & Salatsch, Jungmann & Neffe oder Knize, um nur einige zu nennen. Unter ihnen gab es faszinierende Persönlichkeiten, die in Ausstellung und Katalog gewürdigt werden, etwa die Unternehmerin in einer Männerwelt – Ella Zirner-Zwieback, die das Luxustextilhaus in der Kärntnerstraße erbte und führte. (Der Schauspieler August Zirner ist übrigens ihr Enkel.)


Jüdischer Straßenhändler vor dem Kaufhaus Zwieback - Foto: Jüdisches Museum Wien
 
Künstlerische Ambitionen Die Gestaltung der Häuser wie auch die Präsentation der Waren (und diese selbst) zeugten oft von hohen künstlerischen Ambitionen. Leopold Goldmann, unter den Herrenausstattern einer der allernobelsten, beauftragte für sein Grundstück gleich gegenüber der Hofburg den Modernen der Modernsten, Adolf Loos, mit der Gestaltung seines Geschäftsgebäudes… Das Looshaus hat Goldmann & Salatsch überlebt. Einst brachten viele dieser Häuser es zu Hoflieferanten. Heute sind sie vergessen.
Soziales Gefälle Daß der Prunk, den jüdisches Geld hier entfaltete, immer schon zu Neid Anlaß gab, schürte den in Wien latenten und später instrumentalisierten Antisemitismus. Ein interessantes Foto zeigt einen armen Juden mit Bauchladen vor dem Luxusgeschäft Zwieback – das Segment der reichen Juden war vergleichsweise nicht überbordend, aber sie stachen ins Auge. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als diese spezifisch wienerisch-jüdische Kultur verschwunden und zerstört war, reemigrierten Juden wieder in die Stadt – sie bauten dann das „Textilviertel“ und die neue Jüdische Gemeinde auf. Heute gibt es nur noch im Zweiten Bezirk eine gewisse Dichte jüdisch geführter Geschäfte, denen allerdings der Prunk der Monarchie-Epoche abgeht
 
Jüdisches Museum im Palais Eskeles, Dorotheergasse:
Kauft bei Juden! Geschichte einer Wiener Geschäftskultur
Bis 19. November 2017, täglich außer Samstag 10 bis 18 Uhr
 
 
Renate Wagner