Die Wutzísche Kunst, stets glücklich zu sein

von Jean Paul

Jean Paul
Die Wutzísche Kunst,
stets glücklich zu sein
 
Den ganzen Tag freuete er sich auf oder über etwas. „Vor dem Aufstehen“, sagt er, „freu ich mich auf das Frühstück, den ganzen Vormittag aufs Mittagessen, zur Vesperzeit aufs Vesperbrot und abends aufs Nachtbrot - und so hat der Alumnus Wutz sich stets auf etwas zu spitzen.“ Trank er tief, so sagt, er: „Das hat meinem Wutz geschmeckt“ und strich sich den Magen. Niesete er, so sagte er: „Helf dir Gott, Wutz!“ Im fieberfrostigen Novemberwetter letzte er sich auf der Gasse mit der Vormalung des warmen Ofens und mit der närrischen Freude, daß er eine Hand um die andre unter seinem Mantel wie zu Hause stecken hatte. War der Tag gar zu toll und windig - es gibt für uns Wichte solche Hatztage, wo die ganze Erde ein Hatzhaus ist und wo die Plagen wie spaßhaft gehende Wasserkünste uns bei jedem Schritte an sprützen und einleuchten -, so war das Meisterlein so pfiffig, daß es sich unter das Wetter hinsetzte und sich nichts darum schor; es war nicht Ergebung, die das unvermeidliche Übel aufnimmt, nicht Abhärtung, die das ungefühlte trägt, nicht Philosophie, die das verdünnte verdauet oder Religion, die das belohnte verwindet: sondern der Gedanke ans warme Bett wars. „Abends“, dacht er, „lieg“ ich auf alle Fälle, sie mögen mich den ganzen Tag zwicken und hetzen, wie sie wollen, unter meiner warmen Zudeck und drücke die Nase ruhig ans Kopfkissen, acht Stunden lang.“ Und kroch er endlich in der letzten Stunde eines solchen Leidentages unter sein Oberbett: so schüttelte er sich darin, krempte sich mit den Knien bis an den Nabel zusammen und sagte zu sich: „Siehst du, Wutz, es ist doch vorbei.“
 
Ein andrer Paragraph aus der Wutzischen Kunst, stets fröhlich zu sein, war sein zweiter Pfiff, stets fröhlich aufzuwachen - und um dies zu können, bedient' er sich eines dritten und hob immer vom Tage vorher etwas Angenehmes für den Morgen auf, entweder gebackne Klöße oder ebenso viel äußerst gefährliche Blätter aus dem Robinson, der ihm lieber war als Homer, oder auch junge Vögel oder junge Pflanzen, an denen er am Morgen nachzusehen hatte, wie nachts Federn und Blätter gewachsen.

 
(Johann Paul Friedrich Richter
21.3.1763 - 14.11.1825)