Paula Modersohn-Becker
Zwischen Worpswede und Paris
Von der Heydt-Museum Wuppertal
9. September 2018 – 6. Januar 2019
Ein Gang durch die Ausstellung (6)
Begegnung mit der Kunst Cézannes, Van Goghs und Gauguins
Viermal ist Paula Becker in Paris: 1900, 1903, 1905 und 1906/07. Bei ihren zahlreiche Ausstellungsbesuchen interessieren sie zuerst hauptsächlich die Künstler, die den Worpswedern nahstehen (z.B. der bretonische Maler Charles Cottet). Ihre Darstellungen von Kindern und Bauersfrauen aus dieser Zeit offenbaren ebenfalls noch die Nähe zu den Malern der norddeutschen Künstlerkolonie und finden bei ihren ersten postumen Ausstellungen beim Publikum den meisten Beifall. Ihre Stillleben und noch mehr ihre späten Porträts lassen dagegen die aus der französischen Malerei übernommenen Neuerungen klarer erkennen.
In der Porträtmalerei sieht sie selbst ihre eigentliche Begabung. Schon in Berlin auf dem Weg in die Zeichenschule versucht sie, wie sie am 18. Mai 1896 in ihr Tagebuch notiert, in den Gesichtern von Passanten „mit einem Blick das Wesentliche an ihnen zu entdecken“.
Bereits bei ihrem ersten Paris-Aufenthalt lernt sie Cézannes Kunst kennen. In seinem Werk – konstruiert, flach, auf der Suche nach der geometrischen Einfachheit von Naturformen – erkennt
Paula Modersohn-Becker eine Bestätigung ihrer eigenen künstlerischen Suche. Genau wie für Cézanne steht auch für sie die Komposition an erster Stelle. Im Zuge ihrer dritten Paris-Reise setzt sie sich ebenfalls mit den Werken Van Goghs und Gauguins auseinander. Sie begegnet der Kunst der Fauves und der Nabis, Maurice Denis und Edouard Vuillard besucht sie in ihren Ateliers. Die französischen Einflüsse werden von den Kunstkritikern erkannt; eines ihrer Stillleben wird 1906 von der Jury des Nordwestdeutschen Künstlerverbands sogar abgelehnt, weil es „Cézanne zu sehr nachempfunden“ sei.
Brief an Clara Rilke-Westhoff, 21. Oktober 1907:
„Ich denke und dachte diese Tage stark an Cézanne und wie das einer von den drei oder vier Malerkräften ist, der auf mich gewirkt hat wie ein Gewitter und ein großes Ereignis. Wissen sie noch 1900 bei Vollard. Und jetzt in den letzten Tagen meines Pariser Aufenthalts ganz merkwürdige Jugendgebilde in der Galerie Pellerin. Sagen Sie Ihrem Mann, er soll versuchen, Pellerin zu sehen, hat 150 Cézannes. Ich habe nur einen kleinen Teil davon gesehn, aber es ist herrlich.“
Trennung von Worpswede
In den Tagen vor ihrem 30. Geburtstag plant Paula Modersohn-Becker ihren vierten Paris-Aufenthalt. In Worpswede ist sie unglücklich, denn dort fehlt ihr die Inspiration, die sie braucht, um selbst eine – nach ihren Vorstellungen – „gute Malerin“ zu werden. Außerdem wünscht sie sich ein Kind, das sie, so ihre Einsicht nach fünf unerfüllten Ehejahren, zur Not auch allein großziehen würde. Beides hat sie sich für ihr neues Lebensjahrzent fest vorgenommen. Sie fasst den Entschluss, sich von ihrem Mann zu trennen.
Im Mai 1906 schreibt sie an ihre Schwester Milly: „Liebe Schwester, ich werde etwas – ich verlebe die intensiv glücklichste Zeit meines Lebens.“ Doch die ersten Monate in Paris, finanziell abhängig und großzügig unterstützt von Otto Modersohn, lassen auch ihre Einsicht reifen, dass sie Worpswede und eine eigene Familie dem Leben allein in Paris vorzieht.
Brief an Rainer Maria Rilke, 17. Februar 1906:
„Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit Ihnen. Ich freue mich auf Rodin und auf hundert-tausend Dinge. Und nun weiß ich gar nicht, wie ich mich unterschreiben soll. Ich bin nicht Modersohn, und ich bin auch nicht mehr Paula Becker. Ich bin Ich, und hoffe, es immer mehr zu werden. Das ist wohl das Endziel von allem unseren Ringen.“
Brief an Clara Rilke-Westhoff, 17. November 1906:
„Ich werde in mein früheres Leben zurückkehren mit einigen Änderungen. Auch ich selbst bin anders geworden etwas selbständiger und nicht mehr voll zu viel Illusionen. Ich habe diesen Sommer gemerkt, daß ich nicht die Frau bin alleine zu stehen. Außer den ewigen Geldsorgen würde mich gerade meine Freiheit verlocken von mir abzukommen. Und ich möchte so gerne dahin gelangen, etwas zu schaffen, was ich selbst bin.“
Lesen Sie am kommenden Dienstag hier den Schluß dieses Rundgangs. Redaktion: Frank Becker
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