Ein Tagebuch in Musik

Die Bergischen Symphoniker mit Luca Martins „[pi:ps] diary“

von Daniel Diekhans

© 2010 Haffmans Verlag
Ein Tagebuch in Musik
 
Bergische Symphoniker führen ein neues Werk des Schweizer
Komponisten Luca Martin nach Samuel Peyps auf
 
Programm des 8. Philharmonischen Konzerts:
Luca Martin (geboren 1962) „[pi:ps] diary“
Text von Samuel Pepys, Auszüge aus den Tagebüchern 1660-1669 - Textfassung: Luca Martin, Text-Assistenz: June Winterflood

Edward Elgar (1857-1934)
Variations on an Original Theme op. 36 „Enigma-Variationen“
 
Leila Pfister (Mezzosopran/Sprecherin) - Peter Schöne (Bariton) - Bergische Symphoniker, Leitung Peter Kuhn
 
Das 8. Philharmonische Konzert stand ganz im Zeichen einer Uraufführung. „[pi:ps] diary“ ist das neue Werk des Schweizer Komponisten Luca Martin. In seinem Werk für Mezzosopran, Bariton, Solo-Violine und Orchester vertont er Tagebucheinträge des Engländers Samuel Pepys aus den Jahren 1660 bis 1669. Martin reizte der Facettenreichtum der in einer Art Geheimschrift verfaßten Texte, in denen sich munter historische Ereignisse mit ganz Privatem mischen.
Ähnlich wie der Tagebuchschreiber, der neben seiner Tätigkeit als Staatsbeamter Musik spielte und schrieb, ist Martin ein vielseitiges Talent. Der Basler studierte zunächst Geige und ließ sich danach im Fach Gesang ausbilden. Nach anderthalb Jahrzehnten auf der Opernbühne widmet er sich seit 2009 intensiv dem Komponieren.
Im Remscheider Teo Otto Theater konnte man seine Umsetzung der Tagebuchaufzeichnungen in zeitgenössische, freitonale Klänge erleben. Dem Tagebuchschreiber lieh Bariton Peter Schöne seine Stimme. Die Gegenstimme zum männlichen Ich übernahm Mezzosopranistin Leila Pfister. Der Komponist verlangt beiden Partien viel ab – schnelle Wechsel zwischen Sprech- und Gesangsstimme, zwischen Deklamation und exaltierten Höhenflügen. Diese Aufgabe lösten die beiden Solisten mit Bravur. Ihre Kunst zeigte sich auch an der fein abgestimmten Artikulation. Mit entsprechenden Englischkenntnissen konnte man so gut wie jedes Wort verstehen. Doch selbst wer sich nur aufs Programmheft stützte, bekam einen Einblick in das bunte Zeitpanorama, das Samuel Pepys auf insgesamt 4.000 Tagebuchseiten entfaltet.
 
Die sechsteilige Komposition beginnt mit der Krönung von König Charles II. Eine feierliche Stimmung wurde bewußt hintertrieben, denn das Orchester begleitete den Bariton mit schräg-komischen Tönen. Bei ihrem Einstand wechselte Pfister gekonnt die Stimmlagen, während Schöne der Eifersucht von Pepys auf die vermeintlich fremdgehende Ehefrau Ausdruck gab.
Obwohl „[pi:ps] diary“ den Schwerpunkt auf die Stimmen legt, hat das Werk auch interessante Instrumentalpartien zu bieten. Die Streicher sorgten für einen dramatisch brausenden Sturm, und Konzertmeister Mihalj Kekenj glänzte mit einem Violinsolo. Die Schlagzeuger belebten die Schilderungen des großen Brands von London. Klug geht Martin mit musikhistorischen Anleihen um. Berückend sang Pfister eine Arie des Hobby-Komponisten Peyps, die in neo-barocken Tönen daherkommt.
 
Zwischen Luca Martins Stück und Edward Elgars Enigma-Variationen liegen knapp 120 Jahre. Dennoch könnte der Kontrast nicht größer sein. Durch alle 14 Variationen, in denen der Komponist eine Reihe seiner Freunde und am Ende sich selbst porträtiert, zieht sich ein vollendeter Schönklang. Diesem Ideal blieb Dirigent Peter Kuhn treu – selbst in den schnellsten, beschwingtesten Passagen – und löste damit stürmischen Applaus aus.
 
Literaturempfehlungen:
- Samuel Pepys, Tagebuch - Reclam Verlag 1980
- Samuel Pepys, Das geheime Tagebuch - Insel Verlag 1982
- Der erotische Pepys - Eichborn Verlag Frankfurt, 2007
- Samuel Pepys, Tagebücher, Vollständige Ausgabe - Haffmans Verlag 2010
sowie
- Axel Milberg liest aus den Tagebüchern von Samuel Pepys - Hörbuch 3 CD Verlag Haffmans & Tolkemitt 2011

Nächstes Konzert der Bergischen Symphoniker
Beim 9. Philharmonischen Konzert am 5. Juni führen Chor und Orchester der Bergischen Symphoniker die „Glagolitische Messe“ von Leos Janácek auf. Die Solisten sind Banu Böke, Hermine Haselböck, Corby Welch und Alejandro Marco-Buhrmester. Die Leitung hat Peter Kuhn. Außerdem auf dem Programm: Mahlers „Kindertotenlieder“. Das Konzert beginnt um 19.30 Uhr. Um 18.45 Uhr hält Katherina Knees den Einführungsvortrag. Tickets gibt es ab 24 Euro, Jugendtickets für 6,50 Euro. Kartentelefon: 02191-16 26 50.
 
Weitere Informationen unter: www.bergischesymphoniker.de  und www.teo-otto-theater.de

Redaktion: Frank Becker