„In Liebe und Verehrung“ (2)

Novus String Quartet mit W.A. Mozart, Gideon Klein und Johannes Brahms

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper

In Liebe und Verehrung - Saitenspiel
 
Novus String Quartet mit W.A. Mozart, Gideon Klein und Johannes Brahms
 
Dieser Konzertabend in der Historischen Stadthalle Wuppertals war eine Hommage an den böhmisch-jüdischen Musiker Gideon Klein, der vor 100 Jahren geboren wurde (6.12.1919) und vor 75 Jahren aus dem KZ Theresenienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde. Seine Musik, galt es, in das Kammermusikprogramm Mitteleuropas zurückzuholen (siehe https://www.musenblaetter.de/artikel.php?aid=25421&suche=Saitenspiel ).
So wurde sein Streichquartett op. 2 vom August 1940 dem Mozartschen Streichquartett B-Dur KV 458 („Jagdquartett“) und dem Streichquartett a-Moll op. 51 Nr. 2 von Johannes Brahms gegenübergestellt.
 
Zu Beginn also Mozarts bekanntes Jagdquartett, eines der Streichquartette, die Mozart dem Erfinder dieser kammermusikalischen Gattung und seinem „treuesten Freund“ Josef Haydn gewidmet hat. Als Jungverheirateter komponiert er diese Quartette 1782-1785 und tat sich durchaus schwer damit. Er litt zu dieser Zeit an „rasenden Coliquen“ mit Erbrechen und versuchte diese Zustände durch Reiten zu überstehen. Die Ursachen dieser Schmerzzustände sind ungeklärt, aber geritten ist Mozart bis 1791.
Der 1. Satz im flotten 6/8 Takt verbreitet zunächst heitere pastorale Stimmung mit Trillern, Vorschlägen und Echos. In der Durchführung aber nimmt die Heiterkeit ab: bedrohliches Unisono und über einem Orgelpunkt durcheinander wirbelnden Stimmen beunruhigen. Die Musiksprache ist für die damalige Zeit modern und weist in die romantische Zukunft. Nach dem gefälligen Menuett des 2. Satzes spannen Violine und Violoncello im bedeutenden Adagio ein ernstes Zwiegespräch gegen akkordisch agierende Mittelstimmen. Im schnellen Schlußsatz spielen die vier jungen Koreaner des Novo String Quartet ihre technische Brillanz akkurat und differenziert temperamentvoll aus, Mozarts Seele, Geist und Melancholie nachspürend.
Es folgte Gideon Kleins 2. Streichquartett, welches er als 20jähriger komponiert hat, bevor er im KZ Theresienstadt inhaftiert wurde. Passend zu seiner Lebenssituation, beginnt das Cello ein großes Solo gegen schockierendes Tremolo der Geigen und der Bratsche. Die Bratsche übernimmt diese wichtige Aussage des Cellos bevor aufgeregtes Pizzicato, gehetztes Fugato, komplexe Rhythmen und Sphärenflageolett, orchestrale Schläge die düstere Zerrissenheit der Zeit widerspiegeln. Welche Unterschiede in Lebenslauf, Musik und Schicksal der bei der Komposition ihrer Quartette etwa gleich alten Komponisten Mozart und Klein. Der eine erfolgreich im eleganten Wien des 18. Jahrhunderts, der andere eingesperrt im KZ. Im Vivace des 2. Satzes stimmt die 1. Violine über schwungvollem Pizzicato-Tanz mit böhmischer Musikalität den Dialog mit dem Cello an. Taktwechsel beleben zusätzlich dieses Scherzando. Im Andante cantabile des letzten Satzes erheben sich wieder Violine und Cello im Zwiegespräch über eher ruhiger synkopaler Zweistimmigkeit von 2. Geige und Bratsche. Immer dient die zupackende Virtuosität dem musikalischen Ausdruck. Kleins Quartett, nach Klang und Rhythmik im Gefolge von Janacek oder auch Bartok, beeindruckte die Zuhörer tief. Bedeutende Stille am Ende. Großer Beifall brach erst nach etlichen Sekunden aus. Bei diesem Quartett, bei dieser „Musik an der Grenze des Lebens“ (Titel eines Gedenkkonzertes in Frankfurt vor wenigen Wochen) wurde klar, welche Musik durch den Holocaust vernichtet worden ist. Guido Klein kam unter unklaren Umständen am 27. Januar 1945, also am Tage der Befreiung des KZ Auschwitz ums Leben. Seine „Musik drückt etwas aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“ (Victor Hugo)
 
Nach der Pause dann Johannes Brahms. Vor seinen ersten Streichquartetten des op. 51 hatte Brahms schon 20 Streichquartette komponiert und verworfen. Wie Mozart fiel ihm das Komponieren der Quartette nicht leicht. Aber herrlich, wie sich die musikalische Thematik im romantischen 1. Allegro non troppo des a-moll Quartetts entwickelt. Die Sonatenhauptsatzform wird hier noch gewahrt. Im Andante des 2. Satzes liefern sich die seelenvolle Bratsche und das gesangliche herrliche Cello Zwiegespräche zwischen wiederholten, eruptiven Tremolo-Flächen. Romantisch auch die Stimmung im Sommernachtstraum des 3. Satzes, bevor sich im letzten Satz - Allegro non assai - markant, schnell typische Brahmssche Auf- und Abschwünge entwickeln und das Quartett mit furiosem Schluß endet. Was die Tempoangabe non assai bedeuten soll, weiß nur der Komponist. Eher nicht etwas schneller oder eher nicht doch langsamer? Der Chirurg, Kammermusiker, Geiger und Freund Theodor Billroth bescheinigte seinem Freund Johannes: „Die Quartette enthalten sehr viel Schönes in knapper Form; doch sind sie nicht nur technisch enorm schwer, sondern auch sonst nicht leicht Gehalts“. Wie wahr. Nach starkem Applaus gab es gelbe Rosen für die hochmusikalischen jungen Instrumentalisten und musikalisches Welterbe aus der Heimat für das Publikum: Arirang, das beliebtes Volkslied auf der Halbinsel in einer Bearbeitung für Streichquartett.
 
gründeten Jaeyoung Kim,Young-Uk Kim (Violinen), Kyuhyun Kim (Viola) und Woongwhee Moon (Violoncelleo) an der Korea National University of Arts. Sie zogen 2011 nach Deutschland, studierten „Streichquartett“ bei C. Poppen und H. Müller in München, anschließend bei Heime Müller in Lübeck. 2014 gewannen sie den 1. Preis im Mozart Wettbewerb in Salzburg. Bei diesem nachdenklich stimmenden Konzert am Sonntagnachmittag wird dem Zuhörer bewußt, welche Bedeutung der Musik universell auf der ganzen Welt als Trösterin über Katastrophen und Zeiten hinweg, schon immer zukommt. „Die Musik stirbt zuletzt“ ist eben nicht nur der Titel eines Sonntagabend-Tatortes.