40 Minuten Seligkeit

Das Sinfonieorchester Wuppertal mit Béla Bartóks Konzert für Orchester Sz 116

von Frank Becker


40 Minuten Seligkeit
 
Das Sinfonieorchester Wuppertal in der Historischen Stadthalle
mit

Béla Bartóks Konzert für Orchester Sz 116
 
Gesamt-Programm:
Leonard Bernstein „Three Dance Episodes from ›On The Town‹“
Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 24 C-Moll KV 491
Béla Bartok Konzert für Orchester Sz 116
 
Sinfonieorchester Wuppertal - Matthias Foremny, Dirigent - Herbert Schuch, Klavier
 
Beim 3. Sinfoniekonzert der Saison 2019/2020 am Sonntag, 17. November und Montag, 18. November standen drei Stücke auf dem erlesenen Programm, die allein durch ihre stilistische, nationale und Genre-Einordnung kaum unterschiedlicher hätten sein können.
 
Leonard Bernsteins „Three Dance Episodes from ›On The Town‹“, Auszüge aus einem Musical, geschrieben für Big Band und Sänger, das 1944 in New York uraufgeführt und 1949 als eines der besten Film-Musicals der Geschichte von Stanley Donen mit Gene Kelly, Frank Sinatra und Jules Munshin auf die Leinwand gebracht, machte den Anfang. Matthias Foremny am Pult wußte sehr wohl, daß ein sinfonischer Klangkörper von 75 Musikern im Grunde zu groß, ja zu gewaltig für dieses tänzerisch swingende Stück ist, und er erläuterte das sogar in der Konzerteinführung. So geschah es denn auch trotz allen Könnens und Bemühens und perfekter Intonation: Die notwendige Leichtigkeit fehlte, es wurde zu mächtig, zu akademisch und blieb weit weg von der berühmten Film- bzw. Bühnenmusik.
 
Nach umfangreichem Umbau – es war ein Genuß, der konzentrierten Arbeit der Orchesterwarte zuzusehen – stand ein bewährter Klassiker auf dem Programm, Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert Nr. 24 C-Moll KV 491 – als Solist wirkte der gefragte Pianist Herbert Schuch (*1979), der als einer der interessantesten Musiker seiner Generation gilt. Das technisch perfekte, äußerst virtuose Spiel Schuchs, das sich im Dialog dem großen Orchesterapparat elegant einfügte, blieb durchweg einen Hauch zu kühl, erst im 3. Satz Allegretto konnte es mit wunderschönen Passagen und feiner Applicatur wirklich fesseln und bewegen. Für den berechtigt großen Applaus bedankte Schuch sich mit einer reizenden Bagatelle Ludwig van Beethovens.
 
Dann aber, nach der Pause, endlich Béla Bartok. Sein Konzert für Orchester Sz 116 in fünf Sätzen aus dem Jahr 1944 (in Wuppertal zuletzt 2012 unter Toshiyuki Kamioka gegeben) war wohl für das Publikum der eigentliche Magnet dieses Konzerts. Es sollte sich denn auch als wahrhaft erhebender Glanzpunkt dieses Abends erweisen.
Langsam, unendlich zart erhob sich in der Intruduzione die Musik aus dem Piano des Streicherapparats, nahm sich aufbauend Holz- und Blechbläser mit und öffnet das Ohr für ein sinfonisches Klangerlebnis, das die Herzen der erst angespannt lauschenden, dann sich völlig hingebenden Hörer mit Glück füllte. Nicht einmal bei den Pianissimi wagte sich der gefürchtete Konzerthuster aus der Deckung. Unter der feinen, äußerst sensiblen Stabführung Matthias Foremnys wuchs das Orchester an dem grandiosen Stück über sich selbst, wurde von der Größe der Komposition schier mitgerissen und zeigte beim Blick in die Gesichter, wie ergriffen die Musiker selbst waren. Ihre Begeisterung übertrug sich derart intensiv auf den Saal, daß wohl nicht ein Zuhörer in den insgesamt 40 Minuten, auch nicht für eine Sekunde, die Aufmerksamkeit sinken ließ. Man folgte den Duo-Passagen von Fagotten, Oboen, Klarinetten, Flöten und Trompeten, dem Choral der Blechbläser, den Streichern, den Tutti und Soli (Schlagzeug, Oboe, Tuba und Flöte), den Tänzen und Zitaten dieses Meisterwerks in Elegie und Intermezzo entweder atemlos oder tief aufatmend, die Musik wurde zum Labsal, zum trunken machenden Rausch, den man bis zum aufjubelnden Finale in vollen Zügen genoß. Entsprechend enthusiastisch fiel der dankbare, nicht enden wollende Jubel aus, immer wieder mit lauten „Bravo!“-Rufen unterstrichen. 40 Minuten pure Seligkeit.
 
Matthias Foremny ist Professor für Dirigieren und Orchesterleitung an der Hochschule für Musik »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig und bereits seit 2013 Chefdirigent des Stuttgarter Kammerorchester sowie 1. ständiger Gastdirigent an der Oper Leipzig seit 2011. Gastdirigate führen ihn zu namhaften Orchestern wie der Staatskapelle Dresden, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem Rundfunksinfonieorchester Berlin, dem WDR Sinfonieorchester, dem NDR Elbphilharmonie Orchester, dem Zürcher Kammerorchester und der Staatskapelle Berlin.
 
Informationen über die Wuppertaler Sinfoniekonzerte: www.sinfonieorchester-wuppertal.de