An die Schönheit - Stars der Sammlung

Ein Ausstellung aus dem Bestand des Von der Heydt-Museums Wuppertal

von Frank Becker

Michail Larinov, Die Soldatenbraut 1909 - Foto © Frank Becker

In den Wind gesungen

Wenn ich, an ihren Brüsten hingesunken,
Den heiligsten der Tränke tief getrunken:

Komm Drache Tod, laß mit dem letzten Hauch
Uns in die Luft vergehn wie blauer Rauch,

Und laß uns noch nach hunderttausend Jahren
Vereint als Sturmwind durch die Lüfte fahren!
 

Li-hung-tschang
(deutsch von Klabund)

Hymne an die Schönheit
 
Glanzlichter aus der Sammlung des Von der Heydt-Museums
 
Das Schöne wird seit Menschengedenken durch Bild, Wort und Musik hymnisch gefeiert. Alles, was das Auge freut, was dem Betrachter Wohlbehagen verursacht, die Sinne des Hörers und des Lesers mit süßen Klängen und schönen Formulierungen betört ist gemeint. Die Schönsten unter den Schönen, nämlich die Frauen und die Natur - womit die Schönheit z.B. eines David von Michelangelo oder des Boxers Erich Brandl von Renée Sintenis nicht geschmälert sein soll - zogen in Kunstgeschichte und Literatur verständlicherweise die meisten Elogen und Bekenntnisse auf sich. Folglich sucht das Auge in einer Ausstellung, die unter dem lyrischen Titel „An die Schönheit“ eingerichtet wurde, nach eben diesem Schönen.
Zwar wird in dieser Bestands-Ausstellung des Wuppertaler Von der Heydt-Museums der Begriff im oben beschriebenen künstlerischen Sinne etwas weiter gefaßt, indem eben auch die Schönheit von Form und Farbe, Harmonie und Idee präsentiert wird, doch man sucht auch nicht vergebens nach der Schönheit, dem Liebreiz und der Erotik der bildlichen Darstellung.
Wir wollen uns hier auf einen kleinen Teilaspekt konzentrieren, die dreidimensionale Darstellung des Schönen in Skulptur und Plastik, denn umsichtig hat die Kuratorin der Ausstellung, Frau Dr. Antje Birthälmer, für die Präsentation auch aus dem großen skulpturalen Fundus des Museums einige herausragende Stücke ausgewählt. Vor allem die möchten wir Ihnen zeigen, begleitet von Texten aus der Literatur, die das Lied der Schönheit singen.




Bertel Thorvaldsen Vittoria Caldoni - Foto © Frank Becker

Tristan

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheimgegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe:
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen
Und den Tod aus jeder Blume riechen:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!
 
August Graf von Platen-Hallermünde
(1796 - 1835)







Hymne an die Schönheit
 

Max Klinger, Salome - Foto © Frank Becker

Schickt dich der Himmel, schicken Höllengründe,
O Schönheit, dich - als Labsal oder Pein?
Du spiegelst und als Tugend vor die Sünde.
Dein Reiz verwirrt, betäubt wie Feuerwein.

Dein Blick lullt ein und weckt zum Morgenstrahle,
Dein Odem duftet wie Gewitternacht.
Dein Kuß ist Zaubertrank, dein Mund die Schale,
Die Helden schlaff und Knaben mutig macht.

Stammst du von Engeln oder von Dämonen?
Wollust tappt deiner Schleppe hündisch nach.
Du heischst Gehorsam, ohne ihn zu lohnen,
Und teilst nach Laune Segen aus und Schmach.

Hohnlachend kannst du über Leichen taumeln, -
Die Grausamkeit gehört zu deinem Sport.
Bei den Pretiosen, die am Leib dir baumeln,
Hängt als dein liebstes Kleinod frech der Mord.

Dich, Flamme, muß die Motte blind umschwirren, -
Schon halb geröstet, preist sie deine Glut.
So geht's dem Buhlen auch in Liebewirren:
Zum Grab wird ihm das Polster, drauf er ruht.

Steig' aus dem Pfuhl, nah' von geweihtem Orte,
O Schönheit, grausam-holder Rätselgeist, -
Dein Blick, dein Lächeln öffnen mir die Pforte
Ins Unermeß'ne, das mich an sich reißt.

Ob Gott, ob Satan dich zum Heerbann zähle,
Was tut es, - wird im Erdenmißgeschick,
Du Glanz, Duft, Wohllaut, Herrin meiner Seele,
Durch dich erträglich nur ein Augenblick!

Charles Baudelaire


Einem schönen Mädchen unter sein Bildnis

Max Klinger, Badendes Mädchen - Foto © Frank Becker

Wo sah ich das doch schon einmal?
Dies zart und liebliche Oval,
Die großen Augen tief und klar,
Dies bogenfeine Lippenpaar
Und diesen Strudel Lockenhaar?

Wo, wo? Und plötzlich seh ichs licht:
In Form und Farben ein Gedicht,
Das Botticellis teure Hand
Gedichtet auf die Leinewand.

Stand lange in Florenz davor,
Mich ganz in Schauens Lust verlor,
Andächtig zu der klaren Kraft,
Die uns in Schönheit Tröstung schafft.

Denn aller Schönheit höchste Huld
Ist Trost und Stille und Geduld.
Wer recht zu sehen weiß, der spürt
Sein Herz von Schwingen angerührt,
Die himmelher und heilig sind.

Ihr Wehen ist so lieb und lind
Wie Mutteratem über der Wiegen;
Du fühlst dich eingebettet liegen,
Liebeingefriedet wie ein Kind.

Dem Meister, der so hohes gab,
Legt Dankbarkeit den Kranz aufs Grab;
Der Schönheit, die ins Leben blüht,
Naht sich mit Wünschen das Gemüt:

Sei nicht bloß Schenkerin –: Beschenkte auch!
Im eignen Innern wohne dir der Hauch,
Den Schönheit atmet: Friede sei dein Teil!
Du lieb Gesicht, halt deine Seele heil!
 
Otto Julius Bierbaum


Sie sitzt und schaut am Spiegel

Kees van Dongen Maedchenakt 1907 - Foto © Frank Becker

Nur nach dem Mondenlicht,
Das rieselnd durch die Riegel
Des Faservorhangs bricht.

Als wie von Jadesplittern
Fließt durch der Kammer Raum
Ein Glitzern und Zittern,
Und sie zieht, wie im Traum,

Anstatt ihr Haar zu kämmen,
Den Vorhang hoch empor,
Und Strahlen überschwemmen
Der Kammer offnes Tor.

Wie jetzt die Silberscheibe
Weiß leuchtend strahlt und blinkt;
Gleich einem Frauenleibe,
Von dem die Seide sinkt.
 
Tschan-Jo-Su
 
 




Wilhelm Lehmbruck, Mädchentorso 1956 - Foto © Frank Becker


An die Schönheit

So sind wir deinen Wundern nachgegangen
wie Kinder die vom Sonnenleuchten trunken
ein Lächeln um den Mund voll süßem Bangen

und ganz im Strudel goldnen Lichts versunken
aus dämmergrauen Abendtoren liefen.
Fern ist im Rauch die große Stadt ertrunken

kühl schauernd steigt die Nacht aus braunen Tiefen.
Nun legen zitternd sie die heißen Wangen
an feuchte Blätter die von Dunkel triefen

und ihre Hände tasten voll Verlangen
auf zu dem letzten Sommertagsgefunkel
das hinter roten Wäldern hingegangen – –

ihr leises Weinen schwimmt und stirbt im Dunkel.
 
Ernst Stadler





Aristide Maillol, Torso der Ile de France - Foto © Frank Becker

Beschreibung vollkommener Schönheit 

Ein haar so kühlich trotz der Berenice spricht / Ein mund / der rosen führt und perlen in sich heget / Ein zünglein / so ein gifft vor tausend hertzen träget / Zwo brüste / wo rubin durch alabaster bricht / Ein hals / der schwanen-schnee weit weit zurücke sticht / Zwey wangen / wo die pracht der Flora sich beweget / Ein blick / der blitze führt und männer niederleget / Zwey armen / derer krafft offt leuen hingericht / Ein hertz / aus welchem nichts als mein verderben quillet / Ein wort / so himmlisch ist / und mich verdammen kan / Zwey hände / derer grimm mich in den bann gethan / Und durch ein süssen gifft die seele selbst umhüllet / Ein zierrath / wie es scheint / im paradieß gemacht / Hat mich um meinen witz und meine freyheit bracht.


Christian Hofmann von Hofmannswaldau


An die Schönheit - Stars der Sammlung
Von der Heydt-Museum
Turmhof 8 – 42103 Wuppertal

Die Ausstellung ist ab heute für das Publikum geöffnet - und es gibt von Hans Arp bis Fritz Winter viel, viel mehr als das oben Gezeigte zu entdecken. Insgesamt 165 Kunstwerke von 110 Künstlern geben einen Eindruck von der enormen Sammlung und Potenz des Von der Heydt-Museums.

Weitere Informationen:  www.von-der-heydt-museum.de