INSIDEOUTSIDE

Sean Scully im Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal

von Johannes Vesper

Foto © Nele Siepermann

INSIDEOUTSIDE
 
Sean Scully im Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal
 
Es dauerte etliche Sekunden bis Sean Scully in New York beim Video-Telefonat mit dem Skulpturenpark Waldfrieden auf dem Bildschirm erschien. Er selbst mochte wegen CoVid19- Beschränkungen am 10.06.2020 nicht nach Wuppertal kommen. Abstruse Zeiten, in denen auch zu einer Ausstellungseröffnung im engeren Sinne nur unter Pandemie-Vorbehalt eingeladen werden kann, weil alles unter dem Virus leidet - auch die Transporte dieser schweren Skulpturen und Termine also immer nur unter Vorbehalt angegeben bzw. verabredet werden können. Nicht alle seiner Werke sind schon da, sukzessive werden weitere Arbeiten erscheinen. Heute konnte man immerhin schon mal einen Eindruck vom Œuvre dieses schwergewichtigen Künstlers bekommen. Geboren 1945 in Dublin, wuchs er in London auf und zog 1975 in die USA. Er lebt und arbeitet aktuell in New York, wo er 1973 erstmalig als Maler ausgestellt hat. Als Maler wurde er anfänglich mit seinen monochromatisch schwarzen, dunklen Bildern bekannt. Später und bis heute malt er horizontal und vertikal begrenzte Farbflächen klarer Struktur mit dickem pastösem Farbauftrag, mit dem sich sein Interesse an Raumwirkung entwickelt haben mag.  Seine Bilder sind vieles gleichzeitig: minimalistisch, groß, monochrom, dann aber doch von einer gelegentlich eher matten Farbigkeit, klein aber auch riesig. Die Skulpturen zeichnen sich durch Größe und Gewicht aus.


Foto © Nele Siepermann


Tony Cragg erläutert Sean Scully - Foto © Johannes Vesper

Tony Cragg spicht von Monumentalität und gleichzeitiger Sensibilität und versuchte anschaulich, auf einem Bein nur einigermaßen sicher stehend, mit den Armen Zeichen in die Luft malend, die Kräfte, die im Zusammenhang mit solchen Skulpturen wirken, zu erläutern. Bei der Videoschalte nach New York gab Scully ein wenig von sich preis. Cimabue (*ca. 1240; † ca. 1302), habe ihn besonders geprägt, von ihm sei er beeindruckt, beschied er eine Frage, welcher Künstler ihn besonders beeinflußt habe, und berichtete über seine Werke, die in spanischen und italienischen Kirchen zu sehen seien. Die Stapelung seiner Materialien verbindet ihn mit Tony Cragg, hat der doch vor Jahrzehnten mit dem Stapeln von Holz, Backsteinen und später auch Glasobjekten begonnen. Vor ca. 20 Jahren habe er, nachdem er sich erstmalig in einem Atelier mit Garten eingerichtet habe, für sich selbst eine Skulptur hergestellt, erzählte Sean Scully - morgens gegen 6 Uhr Ortszeit New York City - digtal.


Video-Interview zu sehr früher Stunde - Foto © Frank Becker

Die im Skulpturenpark Waldfrieden ausgestellten Werke sind alle neueren Datums. Schon beim Aufgang zur oberen Ausstellungshalle fällt im Wald ein mächtiger, ca. 5 m hoher, aus ehemaligen Eisenbahnschwellen aufgestapelter Kubus auf. In der oberen Ausstellungshalle erklärt Tony Cragg lebhaft und humorvoll das Konzept dieser Ausstellung „in progress“, die wohl erst Ende August komplett sein wird. Er berichtet, daß Sean Scully schon Steinbrüche im Bergischen entdeckt habe und eine große schwere Skulptur plane, die dann auch im Park zu sehen sein werde. Man dürfe hoffen, daß der Künstler persönlich komme und hier sozusagen mit dieser Skulptur seine örtliche Duftmarke hinterlasse, wenn sie, aus hiesigem Material her- und aufgestellt werden wird. In der mittleren Glashalle wurde heute eine schwergewichtige, monumentale Skulptur aus großen Quadern aufgebaut. Dazu werden Frontlader, Portalkran, Sorgfalt und Umsicht benötigt, wie wir beobachten konnten.


Aufbau in der mittleren Halle - Foto © Johannes Vesper

 
  Eisenbahnschwellen-Stapel - Foto © Frank Becker

Die untere Halle erschien schon vollständig eingerichtet mit dem riesigen Gemälde „What makes us“ 2017 (300 x 571,5 cm, Öl, Acryl, Öl Pastell auf Aluminium), bei welchem er der Idee eines Fensters im Bild nachzuspüren scheint. Ins Auge fällt in diesem weißen Raum mit großer Glasfront die 2,70 m hohe Quader-Skulptur aus buntem Murano Glas (2020), deren irrsinniges Gewicht ebenfalls höchste Konzentration bei der Aufstellung erforderte. Mit einer ähnlichen, monumentaleren Arbeit war („Opulent Ascension“) der Künstler auf der letztjährigen Biennale in Venedig vertreten. Die Arbeit „Grid“ (283-309 cm) aus einem unregelmäßigen Aluminiumgitter mit bunten Filzbahnen beschäftigte den Künstler schon seit 1972, bevor sie 2019 fertiggestellt wurde. Berberteppiche und Stoffe aus Marokko hatten ihn bei einer Reise stark beeindruckt und dazu animiert.


Murano-Stack und Grid - Foto © Frank Becker

Sean Scully wurde zweimal für den Turner Preis, den die Londoner Tate Galerie vergibt, vorgeschlagen, lebt in New York, wenn er sich nicht in Königsdorf bei München oder in seinem Berliner Atelier aufhält. Nach der Ausstellung in Wuppertal werden Retrospektiven seines Werkes im Modern Art Museum Fort Worth und in der ungarischen Nationalgalerie in Budapest stattfinden. Aktuell können Werke von ihm auch im LWL Museum Münster („Sean Scully. Vita Duplex“ 05.05.-08.09.2020, https://www.lwl.org) angesehen werden. Dort wurden Transport und Aufstellung seiner Werke trotz CoVid19 eben noch rechtzeitig bewältigt. Die Ausstellung im Waldfriedenpark, da sie im Fluß ist, lohnt immer wieder während des Sommers und wird jedem empfohlen.

Skulpturenpark Waldfrieden
Hirschstr. 12 - 42285 Wuppertal
noch bis Ende Februar, Fr-So, 11-17 Uhr
ab März, Di.-So., 11-18 Uhr

Weitere Informationen: www.skulpturenpark-waldfrieden.de