Sommerstunden des Lebens (17)

Tagebuchblätter und Skizzen

von Gisela von Baum
Sommerstunden des Lebens


Coraidelstein, im April


...Im Süden möchte ich leben, - wer wünschte das nicht? - Uraltes Verlangen der schwerblütigeren, in kälteren Zonen behei­mateten Völker nach der leichtlebigen Heiterkeit und strahlenden Sonne des Südens.  - In einem weißen Hause möchte ich dort wohnen, mit einer weinumrankten Pergola und dem Blick über das azurne Meer, düstren Pinien und Zypressen, einem duftigen Olivenhügel im Hintergrund, Sonnenwärme auf der gebräunten Haut, singenden Mondnächte und Chianti, blutrot im Becher. -
 
Michael, Lieber, Du siehst, ich bin und bleibe ein Landstreicher, hoffnungslos, unverbesserlich, - denn an einer Wohnung ist mir immer der Anfang und der Aufbruch als das beste erschienen; es gibt Fahrende, Seßhafte und wegmüde Vagabunden, letzterer kann ich noch werden, . . . so macht sich mein Geist frei und zieht seine Pfade. Du wirst schon mitziehen müssen, ändern wirst Du mich nicht mehr; denn immerzu treibt es mein Herz von Sehnsucht zu Sehnsucht, von Traum zu Traum, rastlos, mit Heimweh ohne ein Heim, mit heißem Verlangen nach einem Ziel, dessen Er­reichung sich fortwährend ins Unendliche hinausschiebt . . .




Die Tagebuch-Reise unserer jungen Freundin ist zu Ende. - Was bleibt, ist die Sehnsucht...
Illustrationen: Gisela von Baum