Klassischer Gassenhauer und anderes

1. Wuppertaler Kammerkonzert der 158. Konzertsaison

von Johannes Vesper

v.l.: Selina Lohmüller, Vera Milicevic Alberto, Carnevale Ricci, - Foto © Johannes Vesper

Klassischer Gassenhauer
 
...im 1. Wuppertaler Kammerkonzert der 158. Konzertsaison
 
Wieviel Neues entdecken Orchestermusiker bei der Kammermusik? Jedenfalls kam hier die Individualität von Selina Lohmüller (Klarinette), Vera Milićevic (Violoncello) und Alberto Carnevale Ricci (Klavier) aus dem Sinfonieorchester Wuppertal voll zur Geltung, was den Reiz dieser Konzerte ausmacht.
Ludwig van Beethoven (1770-1827) konnte nicht nur ernst und dramatisch, sondern auch locker und humoristisch wie z.B. in seinem Trio op. 11 B-Dur für Klarinette, Violoncello und Klavier von 1798. Das krasse und freche Thema des letzten Satzes, welches in munteren Variationen ausgebreitet wird, wurde von Beethoven aus der Oper eines erfolgreichen Zeitgenossen geklaut. Mit Kraft und Energie, singendem, beseelten Cello, flinker Klarinette, zuletzt mit Synkopen und Taktwechseln perlte das „Gassenhauer“- Trio vergnüglich vorüber.
 
Leonard Bernstein begründete seine Karriere mit Musicals wie z.B. West Side Story begann sie aber als Student um 1940 mit Kammermusik, darunter der Sonate für Klarinette und Klavier WVZ 256 (1942). Im 1. Satz eher neoklassizistisch akademisch, beginnt der 2. Satz langsam elegisch, wechselt aber schnell zu synkopisch flottem Scherzo mit komplexer Rhythmik, wobei Jazz und Groove der späteren Jahre noch kaum zu erkennen sind. Souverän wie elegant trotz schwieriger Rhythmen und stellenweise großer Virtuosität endet das ganze zuletzt poco piu lento.
Über ein populäres Thema Variationen zu schreiben, war um 1800 aus finanziellen Gründen beliebt. Beethoven hatte mit fünf Sonaten das Violoncello als Soloinstrument entdeckt und zusätzlich noch 3 Variationszyklen für Klavier und Cello geschrieben. Er nutzte dafür wieder kein eigenes Thema, sondern das bekannte „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ aus der ›Zauberflöte‹. Die technisch anspruchsvollen Variationen des an sich einfachen Themas, blitzsauber gespielt, wurden vom dunklen Alt bis in seelenvolle Höhen, vom ausdrucksvollen Adagio bis zum flotten Allegro und musikantischen Scherzo in Dur und Moll nahezu zu Charakterstücken. Alle Aspekte des wichtigen Themas loteten Cellistin wie Pianist intensiv aus.
 
Gabriel Faurés einziges Klaviertrio stammt aus seinem Todesjahr 1923. Zur einleitenden Cello-Kantilene, begleitet vom Klavier, kommt bald die Violine hinzu; unterschiedliche Themen sind im breiten, dynamisch an- und abschwellendem Fluss des 1. Satzes kaum auszumachen. und eine musikalische Auseinandersetzung zwischen gegensätzlichen Themen findet nicht statt. Im Andantino des 2. Satzes atmen weite kantable Bögen oft unisono umeinander bzw. wogen merkwürdig hin und her. Mit Poesie und Noblesse nahm man sich dieses in Deutschland vielleicht unterschätzten französischen Komponisten (1845-1924)  an, der als Kompositionslehrer u.a. von Maurice Ravel die Musik Frankreichs stark beeinflußt hat. Die Melancholie dieses Klaviertrios kann als Ausdruck schweren Gehörleidens und eingeschränkten Sehvermögens des ständig erschöpften Komponisten gedeutet werden, wie er damals seiner Frau schrieb. Gleichwohl läuft der Schlußsatz noch als Allegro vivo mit einem für das Klavier anspruchsvollen Part flink dem Ende entgegen.
Trotz starken, dankbaren Applauses im voll besetzten Mendelssohn Saal gab es keine Zugabe, insgesamt aber eine gelungene Saisoneröffnung.