Ein souveräner Pianist

Alexey Pudinov - „Neue Bahnen“

von Johannes Vesper

„Neue Bahnen“
 
Alexey Pudinov am Klavier
 
Alexey Pudinov hat als umtriebiger Kammermusiker bereits ein Kammermusikfestival in Manchester sowie mehrere Kammermusikensembles (Klavierduo TWO4PIANO) und das Frankfurt Piano Trio gegründet, hat als Solist mit verschiedenen Orchestern (z.B. Simfonični Orkester RTV Slovenija, Sinfonieorchester Gießen, BBC Philharmonic Orchestra) musiziert und geht jetzt mit seiner zweiten CD neue Bahnen. Er verweist damit auf Robert Schumanns so betitelten letzten Aufsatz, der 1853 entstand, nachdem Brahms u.a. auch mit seiner Klaviersonate Nr. 2 in Fis-Moll bei den Schumanns in Düsseldorf großen Eindruck gemacht hatte. Bei der hier vorliegenden Aufnahme beeindruckt, mit welcher Verve und Präsenz auch Alexey Pudinov diese „verschleierte Sinfonie“ (Schumann) angeht. Dem musikalischen Sturm und Drang des 1. Satzes, der geheimnisvoll mit zwei Staccato- Akkorden im Pianissimo endet, folgt das expressive, melancholisch-liedhafte Andante de 2. Satzes. Wild reitet sodann das Scherzo des 3. Satzes im Staccato vorüber, wird aber unterbrochen durch ein lyrisches Trio, welches an frühere Motive erinnert. Zuletzt entwickelt sich aus langsamer schwebender Einleitung über elf Minuten der gewaltige, zerrissene letzte Satz. Wie stark beeindruckt Clara Schumann von dem jungen Johannes schon bei seinem ersten Besuch war, hat Katharine Hepburn in „Song of Love“ (1947) voller Gefühl dargestellt. Diese Sonate war das erste, aber nicht das letzte Werk, welches Brahms Clara gewidmet hat.
 
Die Klavierballade ist eine Erfindung von Frédéric Chopin (1810-1849), die No. 4 in f-moll fast eine freie Improvisation stellenweise im ¾ Takt, immer wieder auch lyrisch melodiös, gelegentlich emotional ausbrechend. Der junge Pianist spielt hochromantisch und lädt ein zu seelenvollen, pianistisch anspruchsvollen Gefühlsmomenten ein.
Sergei Rachmaninoffs (1873-1945) Moments musicaux Op. 16 Nr. 3-5 sind Klavierstücke zwischen traumhaftem Lied ohne Worte und Trauermarsch (Andante cantabile Nr. 3). Die Tiefe und Poesie der Nr. 3 kontrastiert zum Presto der kurzen Nr. 4, in der sich das akkordisch-führende Motiv über virtuosem Baßgrummeln ausbreitet. In der Nr. 5 in Des Dur - eines der wenigen Stücke des Komponisten in Dur(!) - , schwebt das lyrisch depressive Thema über sich wiederholenden Triolen der linken Hand. Völlig unbefleckt von modernistischen Dissonanzen schüttet der 189 cm große, im Wesentlichen unglückliche, psychisch gestörte, meist depressive Rachmaninoff mit diesen Kompositionen „einfach sein Herz“ aus.
 
Reines Vergnügen bietet George Gershwins (1898-1937) legendäre Arie „Summertime“ aus Porgy und Bess in der Bearbeitung des türkischen Komponisten und international berühmten Pianisten Fazil Say (* 1970). Voller Groove und Swing versetzt dieser konzertante, hochvirtuose Jazz die Hörer in reines Entzücken. Wegen blasphemischer Islamkritik war der Musiker 2013 zu 10 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das hört man dieser herrlichen Musik nicht an.
Die „Impressions On Rothko“ op. 23 des jungen Dennis Tjiok (*1994) sind motorische-lebhafte, in der Tradition des 20. Jahrhundert verhaftete eingängige Klavierstücke, in denen er sich Bildern des Malers Rothko musikalisch nähert. Das ist in der Musik nicht ganz neu („Bilder einer Ausstellung“ von Mussorgsky, Etudes tableaux op. 33 u. 39 Rachmaninoff). Diese Klaviermusik wird dem musikinteressiertem Publikum gefallen.
Zum Schluß bietet der souveräne Pianist das e-moll Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach (1685-1750) und zwar in der nach h-moll transkribierten Bearbeitung des List-Schülers und Cousins Rachmaninows Alexander Siloti 1863-1945). Dieses durch die Bearbeitung mutierte und hochromantische „Charakterstück“ spielte der berühmte Emil Gilels gerne als Zugabe. Bach hätte es sicher genauso genossen hätte wie die Zuhörerin. Im Begleitheft erläutert Arndt Zinkant die Klavierstücke. Die Hinweise zur Biographie und Werdegang des in Oberursel lebenden jungen Pianisten wurden anscheinend aus der Webseite übernommen. Empfehlenswert.
 
Neue Bahnen - Alexey Pudinov (Piano)
©2021 KALEIDOS Musikeditionen, Edition Porträt / KAL 63502
Stücke: Johannes Brahms (1833-97) Piano Sonata in f-Sharp Minor op.2. 1. Allegro non troppo ma energica (6:04), 2. Allegro con espressione (6:10), 3. Scherzo. Allegro-Trio Poco piu moderato (4:19); 4 Finale: Introduzione. Sostenuto, Allegro non troppo e rubato (11:48) – Frédéric Chopin (1810-1849) 5. Ballade No. 4 in F-Minor op. 52 (11:56) – Sergey Rachmaninov (1862-1918) 6.-8. Nr. 3-5; - George Gershwin (1898-1937) /Fazil Say (*1970) Summertimes Variations (7:03). – Dennis Tijol  (* 1994) Impressions on Rothko OP. 23: 10. 1. Magic (1:40), 11. 11. 2. Blue and Gray (3:26), 12. 3.www.(2:35) – 13. J.S. Bach (1685-1750)/ Alexander Siloti (1863-1956): Preludium in B-Minor BWV 855A (3:08)
 
Weitere Informationen : www.musikeditionen.de