Glücksmomente

Das Abschiedskonzert der Wuppertaler Generalmusikdirektorin Julia Jones wurde zu einem Geschenk für das begeisterte Publikum

von Frank Becker

Foto © Dirk Sengotta

Glücksmomente
 
Das Abschiedskonzert der Wuppertaler Generalmusikdirektorin Julia Jones
wurde zu einem Geschenk für das begeisterte Publikum
 
 
Das Programm:
- Giuseppe Verdi – Ouvertüre zu „Nabucco“
- Camille Saint-Saëns –Introduction es Rondo capriccioso op. 28
- Felix Mendelssohn-Bartholdy, Sinfonie Nr. 4 in A-Dur op. 90 „Italienische“
 
Nikolai Mintchev (Violine) – Sinfonieorchester Wuppertal – Julia Jones (Dirigentin)
 
Vor immerhin 250 Gästen – mehr war Coronas wegen nicht möglich und das bestmögliche Ambiente und angemessen für das Ereignis - konnte die Wuppertaler Generalmusikdirektorin Julia Jones mit 52 Orchestermusikern gestern Abend das erste Live-Konzert mit Publikum seit 10 Monaten geben, zugleich ihr Abschied vom Sinfonieorchester Wuppertal, dessen Wege ab der kommenden Spielzeit von Patrick Hahn geleitet werden. Der neue GMD erwies der scheidenden Kollegin durch seine Anwesenheit Respekt. Ebenfalls anwesend Oberbürgermeister Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Kulturdezernent Matthias Nocke, der Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen Dr. Daniel Siekhaus, Opernintendant Berthold Schneider, Schauspielintendant Thomas Braus und der emeritierte Leiter der Musikhochschule Wuppertal, Prof. Dr. Lutz- Werner Hesse.
Nach einer freundlichen Grußrede an Julia Jones und das Publikum von OB Schneidewind eröffnete Giuseppe Verdis Ouvertüre zu „Nabucco“ mit sattem, voluminösem Blech, folgend gewaltigem Tutti-Getöse und berühmten Gefangenenchor, der in der Ouvertüre eher versöhnlich sanft säuselnd klingt, dann wieder mit geballter Orchesterkraft den musikalischen Teil des glänzenden Abends.
 

Nikolai Mintchev - Foto: Sinfonieorchester Wuppertal

Was dann folgte, war ein tief berührendes, beglückendes Erlebnis, die Introduction es Rondo capriccioso op. 28 von Camille Saint-Saëns nämlich mit dem Solisten Nikolai Mintchev an der Violine. Beinahe zum Weinen schön interpretierte Mintchev, der Konzertmeister des Wuppertaler Sinfonieorchesters ist, also ein „Eigengewächs“ des brillanten Orchesters, diese zauberhafte Komposition. Mit unendlich zarter Poesie, Empathie, Opulenz und hinreißender Finger- und Bogenfertigkeit floß das 1863 für den spanischen Virtuosen Pablo de Sarasate komponierte Stücke in glitzernden Kaskaden überwältigend schön unter den Fingern Mintchevs wie von Zauberhand aus dem Instrument, das jubelndes, schmeichelndes, fast überirdisches Leben verströmte. Es war eine nicht aufhörende Perlenkette von Momenten des Glücks, Balsam und Nektar für die Seele. Wer nun zu glauben spürte, daß Nikolai Mintchev mindestens eine Amati, Stradivari oder Guarneri gespielt hat – was sonst könnte solche berückenden Klänge hergeben? – muß sich belehren lassen: Nikolai Mintchev spielte eine nagelneue, gerade mal sechs Wochen alte Violine des bulgarischen Geigenbauers Vlado Tilev. Dieser Mann ist offenbar ebenso begnadet wie der Künstler, der dem Instrument diese Seele gab. Da blieb das Publikum, wie während des ganzen Konzerts, unter dem Zauber der Musik mucksmäuschenstill, brach aber am Schluß, wenn auch maskengedämpft, in Jubel und Bravi aus. Was für ein Erlebnis! Das Sinfonieorchester Wuppertal sollte sich diesen brillanten Konzertmeister auf lange Sicht erhalten.
 
Die glanzvolle Sinfonie Nr. 4 in A-Dur op. 90 „Italienische“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy ist allein durch den Auftakt ihres ersten Satzes „Allegro vivace“ ein schierer Gassenhauer geworden. Jauchzend feiert dieser voller Sommer steckende 1. Satz das Leben. Julia Jones führte das Orchester sensibel und inspirierend durch die Welt dieser lebendigen Sinfonie. Friedvoll in seiner Erhabenheit das Andante con moto des 2. Satzes, das zum Träumen verführte und mit den effektvollen Spiccati der Celli besonderen Charakter bekam. Julia Jones hatte bei den Proben auf diese besondern Wert gelegt, war zu erfahren, zu Recht, wie man hören konnte. Con moto moderato lullt der 3. Satz den Hörer wohlig ein, scheint zu plätschern und geht temperamentvoll tänzerisch in den 4. Saltarello: Presto über. Die Aufführung belegte einmal mehr die Qualität dieses außergewöhnlichen Orchesters.
 

Julia Jones - Foto © Daniel Häker

Einige an Julia Jones gerichtete Abschiedsworte sprach anschließend Dr. Daniel Siekhaus, bevor sie selbst sich beim Publikum und den Kollegen bedankte. Daß sie ihren üppigen Sommerblumenstrauß an die Flötistin Ulrike Siebler weiterreichte, setzte einen schönen Akzent, hatte Ulrike Siebler doch an Piccolo und Flöte wunderbar gespielt.