„Licht ist das Thema meines Lebens“

50 Arbeiten von Heinz Mack im Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal

von Johannes Vesper

Heinz Mack - Foto © Frank Becker
„Licht ist das Thema meines Lebens“
 
Heinz Mack im Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal
04.07.21-02.01.22
 
Am Fuße des bewaldeten Unterbarmer Musenhügels steht der Neunzigjährige in langem schwarzem Mantel, wartend auf die Fahrt außen herum zur oberen Halle des Skulpturenparks Waldfrieden. Fast 400 Ausstellungen hatte Heinz Mack in den letzten 70 Jahren. Gerade ging die große Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf zu Ende.
 
All wir anderen wandelten bei leichtem Nieselregen durch den Wald hinauf. Unter den hohen Buchen, auf denen der Bussard nistet, kommen seine vier hohen, dunklen Granitstelen mythisch ins Bild (Vier Stein-Stelen, 1995). Weiter oben sind auf einem Hektar rund 80 Fichten der Trockenheit bzw. dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen. Inzwischen ist das Areal eingesät und am Rand mit neuen Bäumen und Büschen bepflanzt, die der Trockenheit und dem Ungeziefer (hoffentlich) besser widerstehen. Auf der Freiheit dieser Lichtung ragen die beiden golden gezackten Stelen „Zwischen Himmel und Erde“ (2011) und „Großer Rhythmus“ in die Höhe. Vor der oberen Halle fällt unser Blick zunächst auf den „Großen Stufenmonolith“ (1989) auf weißem Kies vor dem dunklen Wald, bevor wir eintreten. Hier sind etliche Marmorskulpturen des 90jährigen Bildhauers ausgestellt. An „Die Wand“ aus weiß-schwarz marmoriertem Marmor mit ihren dreieckigen Durchbrüchen lehnen sich Gastgeber und Künstler für die Meute der Fotografen, bevor sie miteinander im Wechselgespräch Gedanken austauschen.
 

Heinz Mack und Tony Cragg vor der Wand - Foto © Johannes Vesper

Vor ca. 60 Jahren, berichtete Tony Cragg, sei ihm dieser verrückte Künstler aufgefallen, der seine spiegelnde Metallskulptur in gleißendem Wüstenlicht präsentiert habe. Tatsächlich erregte er damals durchaus Aufmerksamkeit mit Kunstexpeditionen in die Wüste und in die Arktis. „Wir wurden bezichtigt, daß wir nicht mehr alle Tassen im Schrank hätten“ (DPA-Interview, 21.02.21).
 

Heinz Mack durch Die Wand - Foto © Frank Becker

Für die aktuelle große Ausstellung hier sind jedenfalls viele Tonnen Stein, Holz und Glas (50 Werke) bewegt und transportiert worden. Tony Cragg zeigte sich glücklich und stolz, das skulpturale Lebenswerk Heinz Macks (geb. 1930) hier zu präsentieren. Er fühle sich Heinz Mack seelenverwandt, weil dieser wie er selbst in der Nachahmung von Figuren, Gestalten oder von irgendetwas keine Aufgabe der Bildhauerei mehr sehe. Heinz Mack kann keinen Grund dafür angeben, warum sie beide jahrzehntelang nahezu als Nachbarn in Mönchengladbach und Wuppertal nebeneinander her gelebt haben, obwohl sie als „leidenschaftliche und geborene“ Bildhauer prinzipiell gleiche Ziele verfolgen, nämlich mit Phantasie „neue Formen ohne industrielle Materialnutzung“ in die Welt bringen. Tony Craggs Werke sind Denkmäler seiner eigenen Gedanken seines Inneren, seines Eigensinns. „Die Welt als Wille und Vorstellung“ kann als sein Credo für seine Bildhauerei gelten, während Heinz Mack seine skulpturalen Formen von ihrer Oberfläche her denkt, an der sich Licht bricht, oder gespiegelt wird, wo sich das Innere des Materials nach außen drückt.
 

Heinz Mack und die Meute - Foto © Frank Becker

„Licht ist für mich ein immaterielles Medium, das materielle Gegenstände in immaterielle Erscheinungen verwandeln kann.“ (Heinz Mack)
 
„Ich bin glücklich, daß wir uns, nachdem Tony Cragg mich vor einiger Zeit aufgesucht hat, sofort gut verstanden haben“. Als Künstler allerdings sei er Einzelgänger und vollkommen alleine, wie in der Wüste. Und es sei durchaus eine „kollegiale und sensible“ Aufgabe gewesen, aus seinem riesigen Gesamtwerk für diese Ausstellung eine Auswahl zu treffen. Sehr dankbar sei er für diese Ausstellung, in der zum ersten Mal in solcher Fülle seine Skulpturen gezeigt werden und das in dieser herrlichen Umgebung. Der Skulpturenpark von Tony Cragg sei in seiner Größe, seinem Flair einzigartig in Deutschland. Aber in den USA und in England gebe es etliche, teilweise sehr viel größere Skulpturenparks. In diesen Ländern spiele die Skulptur auch eine viel bedeutendere Rolle als bei uns in Deutschland. Hier sei Mäzenatentum und Sponsoring lange nicht so populär und ausgeprägt wie anderswo, wobei er die schreckliche Diskussion über Geld, Schwarzgeld, Kunst und Großsponsoren, wie sie aktuell das MOMA (New York) und den Louvre erschüttert, außen vorließ und lieber über seine Werke sprach. Die monumentalen Skulpturen hinter der oberen Halle (u.a. „Großer Epitaph“, 2011), seien in einem Steinbruch der Vulkaneifel entstanden. Tony Cragg hat etliche der hier ausgestellten Skulpturen in seinem Garten in Mönchengladbach entdeckt. Er weist auf die im Werk Heinz Macks vorherrschende Stele hin, die schon seit der Steinzeit in der Kunst eine Rolle spiele. Heinz Mack schätzt besonders den Wald des Skulpturenparks. Zu hohem Buchenwald habe er seit seiner Kindheit eine besondere Beziehung. Als Kind und habe er schon mit der Leica seines Onkels in den Wäldern und Vulkanbergen bei Lollar (nahe Gießen) Felsbrocken und Steine fotografiert. Wenn er als Kunststudent in Düsseldorf bei Ewald Mataré eines gelernt habe, dann die Idee von „der Sprache des Materials“. Seine erste Skulptur sei aus einem Brett entstanden, welches er auf einer Straßenbaustelle bekommen konnte. Bezüglich der verwendeten Materialien ist er nicht festgelegt.
 

Heinz Mack, die Stelen vor und in der Großen Ausstellungshalle - Foto © Frank Becker

Gemeinsam schlenderten wir im Anschluß an das Zwiegespräch den Parnass hinab und sahen in der mittleren Glashalle Stelen aus geschliffenen Glas- und Aluminiumelementen sowie aus Holz. „Diese hier sieht zwar aus wie ein senkrecht stehendes Surfbrett, entstand aber lange vor der Erfindung desselben“ erläutert Heinz Mack. Die dunkel lackierten, getreppt, gezackten, oder durchbrochenen Holzstelen kontrastieren wunderbar zu den leichten Glas-Aluminiumstelen, in den sich das Licht der Strahler bricht. Bei weiterhin trüb-nassem Wetter geht es vorbei an der „Großen Silberstele“ (2020) hinab zur unteren Halle, in welcher Kombinationen aus Edelstahl, Aluminium und Acrylglas („Paravent für Licht“, 1970; Lichtrelief „Das Meer“ ,1964) u.a. zu sehen sind. Man braucht Zeit und Muße für den Besuch und heute hätte man auch einen Schirm gebraucht. Aber unabhängig vom Wetter ist die Präsentation der Skulpturen Heinz Macks im Zwiegespräch mit denen von Tony Cragg und anderen beim Spaziergang über diesen Parnass der Skulpturen etwas Besonderes.
 

Hinan! - Tony Cragg und Heinz Mack - Foto © Johannes Vesper
 

Biographische Angaben: In den 1950er Jahren Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie. 1956 Abschluß in Philosophie an der Universität Köln. Abendausstellungen gemeinsam mit Otto Piene, mit dem er 1957 die Gruppe ZERO gegen Informel und Tachismus gründete, und damit sozusagen die Stunde Null der Nachkriegskunst ausrief. Später kam Günter Uecker hinzu. Sie brachen Traditionen, verstanden die Kunst neu, entwickelten in ihrer Kunst Licht und Bewegung, arbeiteten zusammen mit Yves Klein, Lucio Fontana Piero Manzoni und Jean Tinguely. 1959 und 1966 war Heinz Mack auf der Dokumenta II (1959) und III (1966) zu sehen, vertrat Deutschland auf der XXXV. Biennale in Venedig (1970). Zu dieser Zeit wurde er auch als ordentliches Mitglied in die Akademie der Künste Berlin aufgenommen und auf eine Professur in Osaka (Japan) berufen. Unter seinen Auszeichnungen seien erwähnt das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland, die Ehrenmitgliedschaft der Kunstakademie Düsseldorf und die Moses Mendelssohn Medaille (für Toleranz, Völkerverständigung, gegen Fremdenfeindlichkeit).
 
Termin heute: Parkgespräch mit Heinz Mack am Freitag, den 9. Juli 2021, 16:30 Uhr
 
 
Heinz Mack - Foto © Frank Becker