Posthum

von Hanns Dieter Hüsch

    © André Polozcek / Archiv Musenblätter
Posthum

Und Gott sprach zu den Wesen die nun auf der Erde sich tummelten
Wenn ihr tief genug grabt oder geduldig die Angel auswerft
Dann wird auch die Stunde kommen wo ihr auf Menschen stoßt
Die ich nach meinem Bilde dereinst gemacht
Aber nach ihrem Bilde leben wollten
Sich mit Schmutz und Gift bewarfen bis sie schließlich dann
Ertrunken erstickt oder verdurstet sind
Weil jeder mit seinem Besen den Schutt vor des anderen Türe kehrt
Solange bis Wälder und Flüsse Kapellen und Kirchen Häuser und
Hütten Kinder und Kegel nicht mehr zu sehen
Sondern nur noch zu riechen waren.

Und Gott sprach zu den Wesen die nun auf der Erde sich tummelten
Eigentlich ist es schade
Denn der Mensch war mein Lieblingsspielzeug und ich hatte meinen
Gefallen an ihm und vielleicht war es ein Fehler von mir
Ihm zu gestatten eigene Wege zu gehen
Denn meine Wege sind zwar unerforschlich aber die Wege des
Freien Menschen führten in Schlamm und Morast
Wie er es haben und nicht haben wollte.

Nun liegt die Menschheit unter Abfall und Auswurf
Tief im eigenen Schmutz
Erst warf man Papier und Steine weg Tüten und Taschen
Speise und Plastikeimer
Dann warf man die Kühe weg sie fraßen vergiftetes Gras
Zuletzt warf der Mensch sich weg
Immer einer zum andern immer einer zum andern
Die letzten fielen von selbst um
Und ich ließ sie zuregnen mit himmlischer Asche
Und als sich der letzte noch einmal bewegte las ich von
Seinen Lippen: Es muss was geschehn
Da ließ ich ihn langsam ertrinken.

Und Gott sprach zu den Wesen die nun auf der Erde sich
Tummelten
Wenn ich noch einmal Menschen mache bekommen sie keinen
Freien Willen
Dann werd ich sie dumm aber glücklich halten

Geht nun an eure Arbeit
Und die Wesen gingen an ihre Arbeit
Es waren Geier
Die sollten das Oberflächlichste vom Oberflächlichsten säubern
So teilen sich die höheren Lebewesen die niederen Lebewesen
Schmausen und nagen seit frühen Tagen
Fühlen sich als Krone der Schöpfung als Maß aller Dinge
Sind selbst mal Fisch und Vogel gewesen
Morden mit Eisen und Schlinge
Und wundem sich täglich, dass sie sich selber zu Tode jagen
Schlachten die halbe Welt
Und ergehen sich dann in großen Bewusstseinsfragen

ZITAT
Wir Jäger haben die heilige Pflicht immer und überall
Den Schöpfer im Geschöpfe zu ehren Zitat Ende
Ich bin kein Berufsvegetarier
Sondern ein Lebewesen

Kann fressen saufen lieben schlafen, lügen, eitel und einsam sein
Hab kein Programm und keine Thesen, hab Mark und Bein
Und wenn ich Hochsitze sehe
Sehe ich Herren in grünem Loden
Und auf der anderen Seite den Waldrand
Zu sensibel?
Zu empfindlich??
Ja, mir wird übel!
Gewiss, die Menschenjagd ist schlimmer
Doch sie könnt eines Tags zu Ende gehen
Wenn wir höheren Lebewesen mit den niederen Lebewesen
Menschlicher umgingen, - wenn ich Hochsitze sehe
Wenn die Jagd aus den Köpfen tritt
Die Gewehre zerschlagen sind
Das Treiben vorbei ist, - wenn ich Hochsitze sehe
Und das Schlachten weit hinter uns liegt  wenn ich Hochsitze sehe
 

Hanns Dieter Hüsch
 

© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus dem Band "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung