Die Deutsche Streicherphilharmonie in der Historischen Stadthalle Wuppertal

Wir stellen vor: Antonia Seidel (Viola)

von Johannes Vesper

Antonia Seidel - Foto © Ingo Klatt
Junge Spitzentalente unter Marek Janowski:

Die Deutsche Streicherphilharmonie
in der Historischen Stadthalle Wuppertal
 
Wir stellen vor: Antonia Seidel (Viola)


Von Johannes Vesper
 
Sie klang warm, dunkel, samtig, wie Honig“ beschrieb die neunjährige Antonia Seidel den Bratschenklang, nachdem sie im Familienkonzert des Sinfonieorchesters Wuppertal zum ersten Mal ihr Instrument in der Hand gehalten hatte. Seitdem konnte sie davon nicht mehr lassen. Da hatte sie bereits fünf Jahre lang Geige bei Roswitha Dasch in der hiesigen Musikschule gelernt und erste Erfahrungen im Mäuse- und Kinderorchester gesammelt. Bald machte sie auf ihrer Bratsche bei „Jugend musiziert“ mit und gewann Preise. Das geht nur bei konsequenter Unterstützung, durch die Eltern, die per „Elterntaxi“ das Kind zur Schule bringen, welches dann seit sechs Uhr morgens eine erste Übungsstaffel auf dem Instrument schon hinter sich hat. Inzwischen hat sie regelmäßig Unterricht bei Susanne Roehrig, der 1. Solobratscherin des Bonner Beethovenorchesters, fährt aber ein- bis zweimal im Monat auch zu Frau Prof. Ditte Leser nach Weimar (Musikhochschule). 2018 wurde Antonia in die Deutsche Streicherphilharmonie aufgenommen.

In dem Bundesauswahlorchester spielen 11-20 Jahre alte musikalische Spitzentalente. 1973 anläßlich der X. Weltjugendfestspiele in Ost-Berlin als Rundfunk-Musikschulorchester der DDR gegründet, wird es heute in der Trägerschaft des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) geführt. Renommierte Dirigenten leiteten das Ensemble, darunter Sebastian Weigle, 1995-2002 der ehemalige Wuppertaler GMD Hanns-Martin Schneidt sowie Michael Sanderling. Aktuell ist der Chef Wolfgang Hentrich, der Konzertmeister der Dresdner Philharmoniker, deren Chefdirigent Marek Janowski ebenso wie Vladimir Jurowski (Chef des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (RSB) und ab Herbst 2021 der Bayerischen Staatsoper München) immer wieder zur Verfügung stehen. Mit diesem Orchester hat Antonia im vollbesetzten Kulturpalast Dresdens, im Konzerthaus Berlin, im Wiener Musikvereinsaal, in der Kölner Philharmonie und anderswo musiziert. Mitspielen bedeutet nicht nur selbständiges Proben der Stimmen, sondern auch Probenarbeit mit dem gesamten Orchester mehrfach im Jahr über mehrere Tage. Dabei üben Mitglieder des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin als Paten die Orchesterstücke mit den einzelnen Stimmgruppen ein, bevor der Dirigent mit dem gesamten Orchester probt. Dann wird es ernst und nicht gekuschelt, oft auch einzeln kritisiert, gelegentlich gelobt und die Musiker wachsen unter der empathischen Fuchtel des Dirigenten zusammen, erleben, wie sie ernst genommen werden, wie langsam alles besser wird und klingen muß. Antonia hatte dafür zuletzt ca. 50 entschuldigte Fehlstunden auf dem Zeugnis. Insgesamt gehören ca. 80 junge Musiker zum Orchester. Da entwickeln sich Freund- und Bekanntschaften, die auch unabhängig vom Orchester gepflegt werden. In solchem Umfeld zu musizieren bedeutet für die junge Bratscherin reines Vergnügen. Und das „Geigermal“ am Kinn links, der Knutschfleck der „Armgeige“, die Kinnschwiele der hart arbeitenden Bratscherin signalisiert, wie fleißig sie übt. Dehnübungen, Tonleitern und Akkorde rauf und runter über drei Oktaven durch alle Tonarten, schwierigste Bogentechnik, Spiccato, Springbogen u.a, dann Etüden mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten in affenartigem Tempo bilden das tägliche Übungsprogramm, bevor dann musikalisch an Klang, Struktur und Ausdruck gefeilt wird. Bei vier bis fünf Stunden pro Tag schützen auch Kinnhalter und Seidentuch nicht vor dem Knutschfleck! Und es beglückt, wenn die Bratsche zwischen hohen und tiefen Streichern, herb und rauchig, säuregegerbt knarzend oder seelenvoll emotional als reife Altstimme aus der Mitte des Orchesters hörbar wird. Antonia will jetzt nach dem gerade sehr erfolgreich abgelegten Abitur Bratsche studieren. Sie spielt inzwischen eine Bratsche vom Schweizer Geigenbauer Urs Mächler, der nach dem Modell von Carlo-Antonio Testore (1633-1752) baut.
 

Antonia Seidel - Foto © Ingo Klatt

Benefiz-Konzert am 19.09.21, 19:30 Uhr
 
Aktuell wirkt das Orchester in Dresden am neuen Film von Cate Blanchett mit und spielt für ca. 60 Sekunden den Beginn des Cellokonzertes von Edward Elgar.
Jetzt kommt die Deutsche Streicherphilharmonie zum ersten Mal in den Großen Saal der Historischen Stadthalle auf dem Johannisberg, der im Kreis der renommierten Konzertsäle dem Orchester noch fehlte. In Vorbereitung des Konzerts ist für Sonntag, den 19. September, von 11 bis 12:30 Uhr ein öffentliches „Studiogespräch“ mit dem Solisten des Konzerts, dem Star am Marimbaphon Alexej Gerassimez in der Immanuelskirche geplant. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler der Bergischen Musikschule sowie Studierende der Musikhochschule. Anmeldung bei der Bergischen Musikschule ist erforderlich.
 
Unter Leitung von Marek Janowski, der ja in Wuppertal herangewachsen ist, bietet das Konzert:
- Das Lento assai e cantante tranqillo aus dem Streichquartett Op. 135 von Ludwig van Beethoven,
- Variationen über das Thema aus dem 1. Satz seines op. 131 von dem zeitgenössischen Komponisten Jacek Domagala.
- Vor der Pause wird das Konzert Nr. 1 für Marimbaphon und Streichorchester des brasilianischen Komponisten und Schlagzeugers Ney Rosauro (* 1952) gebracht, welches mit Temperament, südamerikanischen Rhythmen und Melodien das Publikum begeistern wird. Solist ist Alexej Gerassimez, 1987 in Essen geboren, multipler Preisträger, der auf alles klopft und auch solistisch oder mit seiner eigenen Schlagzeuggruppe auftritt.
Das Konzert endet mit der hochromantischen Streicherserenade E-Dur op. 22 von Antonin Dvorak. 
 
Der Wuppertaler Lions Club „Corona “ hat das Benefizkonzert organisiert und lädt herzlich dazu ein. ein. Mit dem Erlös des Konzerts wird unter anderem die KULTURLOGE Wuppertal des Gemeinsamen Hilfswerks der Wuppertaler Lions Clubs e.V. unterstützt. Unter dem Motto „Kultur muß für alle da sein“ ermöglicht die KULTURLOGE Menschen, die sich sonst keine Kultur leisten können, den Besuch von Theatern, Museen, Konzerten oder Kinos.