„Omoshirogara“

Japanische Kimonos, die Weltgeschehen ins Bild setzen

von Andreas Rehnolt

Nenneko (kurzer, gefütterter Kimono, für eine Mutter mit Baby),
Gründung von Mandschukuo, 1930er Jahre, 1933: Da die
japanische Regierung vom Völkerbund beschuldigt wurde,die
Mandschurei (Mandschukuo auf Japanisch) unrechtmäßig annektiert
zu haben, wies sie die Ergebnisse der Kommission zurück und trat
im März 1933 aus dem Völkerbund aus. Abgesehen von der
weißen Taube zeigt das Kimono-Muster das Gebäude des
Völkerbundes in Genf, Dampfschiffe auf dem Genfer See, land-
wirtschaftliche Arbeiten in den Ebenen der Mandschurei, eine
Landkarte mit einem Japan, das sich bis nach Korea und
Nordostchina erstreckt, sowie die Flaggen der USA und
Großbritanniens mit der Flagge von Mandschukuo, dem
japanischen Marionettenstaat. - Foto: SDKM
„Omoshirogara“
 
Ausstellung in Duisburg zeigt
 
„Kimonos, die Weltgeschehen ins Bild setzen“
 
Historisch interessante japanische Kimonos sind bis zum 27. Februar 2022 in der Ausstellung „Omoshirogara“ im Duisburger Museum DKM zu sehen. Kurator Roger M. Buergel erklärte bei der Vorstellung der Schau, die knapp 30 historischen Kleidungsstücke setzten „das Weltgeschehen wie Wochenschauen ins Bild“. Die repräsentativ an dicken Bambusstangen hängenden Kimonos mit unterschiedlichsten Motiven entstanden in den Jahren zwischen der politischen und wirtschaftlichen Öffnung Japans in Richtung Westen um 1870 und dem Ende Japans im Verlauf des Zweiten Weltkriegs, so Museumsleiter Klaus Maas.
Laut Maas erstreckt sich die Ausstellung erstmals in der etwa 10-jährigen Geschichte des Museums über 10 Räume im Erdgeschoß. Die Exponate sind eine Leihgabe der Sammlerin und japanischen Textilhistorikerin Yoshiko Inui. Die weltweit als unumstrittene Expertin der Kimonos geltende Wissenschaftlerin hat die Präsentation zusammen mit Buergel gemeinsam konzipiert. Der Titel der Schau bedeutet auf Deutsch so viel wie „bizarre Muster“. Die Kimonos fungieren „als Spiegel der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen Japans seit dem Freundschaftsvertrag mit Preußen 1861“ und zeigen eine bedeutende „Phase des Wandels, die auch in zeitgenössischen Positionen japanischer Kunst reflektiert wird“, so die Aussteller.
Vor rund 160 Jahren war es, als sich Japan durch den Druck westlicher Staaten „neu erfinden“ mußte. In der Mode - nicht zuletzt in den traditionellen Kimonos für Frauen und Männer - offenbarte sich das ganze Drama der japanischen Modernisierung um 1900, die durch die Begegnung mit dem Westen angestoßen wurde. Die historischen Kimonos werden in der Ausstellung zusammen mit zeitgenössischen Werken - Kimonos, Filme, Fotografien - von Künstlerinnen und Künstlern der Jetzt-Zeit präsentiert. Sie hängen in großen Abständen an dicken Bambusrohren von der Decke, manchmal von Ventilatoren in Bewegung gebracht.
 
Die Ergänzung mit aktueller Kunst sei eine „unverzichtbare Einführung in das Weiterleben der japanischen Historie zwischen der ab 1868 einsetzenden Meiji-Restauration und dem Ende des Pazifischen Krieges im Jahr 1945“, so die japanische Kuratorin Miwa Negoro. Die Geschichte Japans wird in der bunten Schau nach den Worten von Kurator Buergel anhand nur eines, wiewohl einzigartigen Kleidungsstücks, nämlich des Kimonos, rekonstruiert. Der war in den vielen Jahrhunderten und auch in der Zeit der japanischen Modernisierung eine Konstante des Lebens im „Land der aufgehenden Sonne“ geblieben und hat sich in der Form bis heute fast gar nicht verändert.
 

Stoffetzen, Dōmei-Nachrichten (Nachrichten der Nachrichtenagentur Dōmei
Tsūshinsha), ca. 1930er Jahre. Der Film folgt der Geschichte auf einem Muster aus
den 1930er Jahren. Foto: SDKM

„Der Kimono ist ein Kleidungsstück, zu dessen Haupteigenschaften formale Rigidität gehört. Er besteht aus verschiednen Teilen, die am Leib so drapiert werden, daß sie eine Einheit mit der Person ergeben.“ Wichtig ist, daß er aus unterschiedlichen Materialien gefertigt werden kann und damit unterschiedliche Grade der Leichtigkeit und Schwere ausweist. So kann er sowohl der Strenge des zeremoniellen Gebrauchs, als auch der Unbeschwertheit des Moments gehorchen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich nur die Muster und die Oberfläche der Stoffe, die ihn zieren, verändert.
 

Obi (Gürtel), Hanfmotiv mit Flaggen, ca. 1940 - Das Achsenbündnis erkannte die
deutsche Vorherrschaft über den größten Teil Kontinentaleuropas, die italienische
Vorherrschaft über das Mittelmeer und die japanische Vorherrschaft über Ostasien
und den Pazifik an. Foto: SDMK

Die bizarren Muster tauchten gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf, „als die Mode die Moderne zu verarbeiten begann“, wie Buergel betont. Vielfach finden sich Muster und Bilder auf den Innenseiten der Kimonos wieder. Eines der gezeigten Exponate zeigt den japanischen Alltag, nach patriotischem Verständnis. Der Bilderbogen, angeordnet um das Zifferblatt einer Uhr, plädiert etwa den Verzicht von Shopping, die Wichtigkeit frugaler Mahlzeiten und den Verzicht auf abendliche Vergnügungen. Es gibt auch solche, die Postkarten, Zeitungsberichte über besondere Heldentaten oder auch Landkarten präsentieren.
 
 
Haori (Jacke), der Slogan »Ichioku-Isshin« (Hundert Millionen, ein Herz), ca. 1940 - Wie
man ein richtiges japanisches Leben vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung
führt, Kimono-Muster 1930er Jahre.- Foto: SDKM

Andere Kimonos zeigen Szenen aus dem chinesich-japanischen und dem russisch-japanischen Krieg oder widmen sich ab den 1920er Jahren etwa den Filmen mit Mickey Maus, Flugzeugen oder Motorrädern und anderen westlichen Erfindungen. Widmeten sich die Muster vor 1900 einer Synthese von Tradition und Neuem, so zelebrierten die 1920er Jahre einen optimistischen Internationalismus. In den 1930er Jahren schließlich verdüsterten sich Farben und Symbole, als Japan mit Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien paktierte. Auch hierzu zeigt die Schau im Duisburger DKM einige Exponate.
 

Juban (Unterkleid), Mickey Maus,Mickey Mouse wird im Reich des Manga empfangen,
Kimono-Muster der 1920er Jahre - Foto: SDKM

Die Ausstellung ist samstags und sonntags und jeden 1. Freitag/Monat von 12 bis 18 Uhr sowie montags bis freitags nach Vereinbarung geöffnet.
Kontakt: Museum DKM - Güntherstr. 13-15 - 47051 Duisburg-Dellviertel - Tel.: 0203 - 9355547-0

Weitere Informatonen: www.museum-dkm.de
 
Redaktion: Frank Becker