Französische Harfenmusik zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Renske Tjoelker – Harfe

von Johannes Vesper

Französische Harfenmusik
zu Beginn des 20. Jahrhunderts
 
Bei Beethoven gibt es die Harfe nur in der nicht von ihm stammenden Bezeichnung für sein Streichquartett Nr. 11 („Harfenquartett“). Es wurde 1809 geschrieben, als die napoleonischen Kriege vor Wien tobten. Musikalisch haben die Großen der Musik, ausgenommen Mozart mit seinem Konzert für Flöte und Harfe, einen Bogen um die Harfe geschlagen, obwohl neben der Leier eines der ältesten Instrumente überhaupt. Von Händel und Gluck schon im Orchester eingesetzt, spielte die Harfe zu der Zeit in der Volks- und Hausmusik eine große Rolle. Von Louis Spohr und von E.T.A. Hoffmann gab es dann Konzerte, Kammermusik und Solostücke. Nach der Konstruktion der Doppelpedalharfe zum schnellen Umstimmen ohne Spielunterbrechung um 1810 (Erard, Nadermann) zog die Harfe erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Orchestermusik, vor allem in die des französischen Impressionismus ein. Anspruchsvolle Harfenliteratur wurde viel von Instrumentalistinnen komponiert und Renske Tjoelker hat Musik aus der Belle Époque für ihre CD ausgesucht. Sie selbst hat am Konservatorium von Utrecht (bei Erika Waardenburg) Harfe studiert und mit dem Master of Performance 2007 abgeschlossen. Mit Studien am Königlichen Konservatorium in Brüssel (bei Jana Boušková) sowie verschiedenen Meisterkursen ergänzte sie ihren künstlerischen Werdegang. 2012 -2016 spielte sie als Solo-Harfenistin im Städtischen Orchester Aachen, vertretungsweise u.a. auch im Koninklijk Concertgebouw und Rotterdams Philharmonisch Orkest.
Jetzt legt sie eine CD vor mit Musik des einflußreichen belgischen Harfenisten Alphonse Hasselmans (1845-1912) und einiger seiner Schüler bzw. Schülerinnen. Der Reigen beginnt mit der „Rhapsodie“ (1922) von Marcel Grandjany (1891-1975), der im ersten Weltkrieg Organist in Sacré-Cœur war, und der von 1938 an bis zu seinem Tod die Harfenklasse an der New Yorker Juillard School of Music geleitet hat. Spätromantische Arpeggien umspielen „Salve festas dies“, die ehrwürdige katholische Ostermelodie.
 

Henriette Renieé (1875-1956) begann mit acht Jahren als Jungstudentin bei Alphonse Hasselmans, wurde später als Frau bei der Besetzung seiner Nachfolge am Konservatorium benachteiligt. Trotzdem komponierte sie viel für Harfe, unter anderem ein Harfenkonzert. Von ihr werden fünf Stücke gespielt, gefällige Musik der Zeit, kein Schock der Moderne, technisch aber nicht unkompliziert (bis zu 250 Pedalwechsel in einzelnen Stücken).
Ihr Konkurrent und Mitschüler bei Hasselmans Marcel Tournier, einer der einflußreichsten in der französischen Harfenszene, komponiert impressionistisch romantisch und war als Mann bei der Nachfolge seines Lehrers am Pariser Konservatorium erfolgreich. In seiner Sonatine op. 30 zeigt Renske Tjoelker ihre ganze Virtuosität.
Von Alphonse Hasselmans, geboren in Lüttich, später Professor für Harfenmusik am Pariser Conservatoire, stammen „Petite Valse“ (op. 25) von 1910 und das Nocturne op. 43 von 1898. Reine Salonmusik.
Im Sommer 2021 zu Coronazeiten sauber, elegant eingespielt und aufgenommen in der Evangelischen Kirche Lüttringhausen (Tonmeister Paul Galke), bietet Renske Tjoelker mit dieser CD unterhaltsame Harfenmusik aus den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, die vielleicht einen anderen Blick auf den Bedrohung Europas durch den aktuellen Krieg in der Ukraine ermöglicht. In einem schmalen Beiheft finden sich Informationen zu Instrumentalistin und der Musik. Finanziert wurde das Projekt mit NeuStartKultur (Deutscher Musikrat).
 
Renske Tjoelker – Harfe
© 2022 fitschgetau recording
Stücke:
Marcel Grandjany (1891-1975) 1. Rhapsodie. Henriette Reniér (1975-1956) 2. Contemplation, Feuilles d´Album, 3. Esquisse, 4. Danse d´Autrefois, 5. Angelus. Marcel Tournier (1879-1951) 6.-8. Sonatine op. 30. Alphonse Hasselmans (1845-1912) 9. Petite Valse, 10. Nocturne. Marcel Tournier 11. Féerie, Henriette Renié : Danse des Lutins.

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