Erstes Liebeslied eines Mädchens

Ein Foto von Pia Raap zu einem Gedicht

von Eduard Mörike

Foto © Pia Raap

Erstes Liebeslied eines Mädchens

Was im Netze? Schau einmal!
Aber ich bin bange;
Greif´ ich einen süßen Aal?
Greif´ ich eine Schlange?

Lieb´ ist blinde
Fischerin;
Sagt dem Kinde,
Wo greift´ s hin?

Schon schnellt mirs in Händen!
Ach Jammer! o Lust!
Mit Schmiegen und Wenden
Mir schlüpft´s an die Brust.

Es beißt sich, o Wunder!
Mir keck durch die Haut,
Schießt 's Herze hinunter!
O Liebe, mir graut!

Was tun, was beginnen?
Das schaurige Ding,
Es schnalzet da drinnen,
Es legt sich im Ring.

Gift muß ich haben!
Hier schleicht es herum,
Tut wonniglich graben
Und bringt mich noch um!
 
Eduard Mörike