Kunststoff überall

Ausstellung „Klasse und Masse. Kunststoffdesign im Alltag“ im LVR-Industriemuseum

Red.

Kaffeeservice, Georg Kayser KG, Süssen/Württemberg ,1960-1965, Material BASF AG, Ludwigshafen
Foto © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann


Kunststoff überall
 
Ausstellung „Klasse und Masse. Kunststoffdesign im Alltag“
 
Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Untrennbar mit industrieller Massenproduktion verbunden, begleiten sie technische Entwicklungen und eröffnen Designer ungekannte Freiheiten in der Gestaltung. Ob Volksempfänger, Trabant, Panton Stuhl, Bobby Car oder iMac: Kunststoffprodukte sind Teil des kollektiven Gedächtnisses geworden und haben ihren Weg ins Museum gefunden. Die neue Ausstellung „Klasse und Masse. Kunststoffdesign im Alltag“ des LVR-Industriemuseums zeigt ab dem 25. Oktober 2022 im Peter-Behrens-Bau die vielfältigen Möglichkeiten dieses Werkstoffs vom billigen Ersatzstoff und Massenprodukt bis zur Hightech-Komponente und Designikone.
 

Big-Bobby-Car, Entwurf 1971, Hersteller Big Spielwarenfabrik Ernst A. Bettag, Fürth, 2016
Foto © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann



Designikone oder Plastikmüll?
Wenn von Kunststoffen die Rede ist, dann denken wir an Ressourcenverbrauch, Mikroplastik im Trinkwasser und die Vermüllung der Weltmeere. Das ist aber nur ein Teil unserer Geschichte mit dem Werkstoff. Die Ausstellung „Klasse und Masse“ geht den Geschichten nach, die die im Museum gelandeten Dinge erzählen, und sie fragt danach, was aus ihnen wird – als Müll in der Umwelt oder Objekt im Museum.
 

Trabant 601, Baujahr 1989-90, Hersteller VEB-Sachsenring Autobauwerke Zwickau
Foto © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Ausstellung
Was immer wir im Alltag tun – Sitzen, Fahren, Sprechen, Hören, Sehen, Schreiben, Essen, Trocknen, Anziehen –, überall begleiten uns Kunststoffe. Für jeden Bereich zeigt die Ausstellung Klassiker der Designgeschichte, wie den komplett aus Kunststoff gefertigten „Panton Stuhl“ – eine Ikone der Pop-Ära, den der Designer Verner Panton in den 1960ern entwickelte. Oder das „Bobby Car“, das sich seit seiner Markteinführung 1972 großer Beliebtheit erfreut. 1995 gab es davon sogar eine „Art Edition“ aus Recycling-Material, die von namhaften Künstlern gestaltet wurde. Auch Vorgänger, Nachfolger oder alternative Entwürfe von Designklassikern werden gegenübergestellt und so hinterfragt: Waren die Entwürfe bekannter Designer wirklich beispiellos? Haben nicht auch das sogenannte anonyme Design, die Werksentwürfe, wichtige Beiträge zur Geschichte der Gestaltung geliefert? Die Ausstellung versteht sich zugleich als Beitrag zur Designgeschichte unter dem Aspekt des Materials.
 

Haartrockner Moulinex, Frankreich, 1970er - Foto © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann


Kaffeemuehle, Hersteller Antonin Mares, Tschechoslowakei, 1930-1940
Foto © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Produktdesign ohne Grenzen
Aber nicht nur Design-Ikonen zeigen die unerschöpflichen Gestaltungsmöglichkeiten der Kunststoffe im Zusammenspiel mit dem Produktdesign. Kunststoffe lassen sich in fast jede gewünschte Form bringen und sind im Vergleich zu traditionellen Materialien leicht. In ihrem Erscheinungsbild bieten sie alle Möglichkeiten, von farblos und durchsichtig bis hin zu knallbunt, strukturiert und gemustert. So kann der Spielzeugroboter „Mr. Machine“ von 1977 dank transparenter Kunststoffe sein mechanisches Innenleben offenbaren.
 
Top oder Flop?
Nicht immer gelingt ein Durchbruch auf Anhieb. Das einst „schlechteste Fahrrad der Welt“, 1982 von schwedischen Ingenieuren aus Polyamid gebaut, wollte zukunftsweisend sein. „Itera“ wurde ein Flop, wegen der noch nicht ausgereiften Materialeigenschaften, aber auch der schlechten Vermarktung. Doch heute sind Fahrradrahmen aus mit Carbonfasern verstärktem Kunststoff insbesondere bei Profi-Rennrädern etabliert.


Telefon FeTAp 612-12, BRD, 1974 - Foto © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann


Notebook Apple IBook, Entwurf Jonathan Ive, Hersteller Apple Computer Inc., 1998-1999
Foto © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Neue Wege
Ungewöhnliche Formen aus dem 3D-Drucker oder Produkte aus biobasierten Kunststoffen, die auf der Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden, zeigen, wohin die Entwicklung in Zukunft geht. Der Hocker „Terra“ repräsentiert ein Beispiel für ein Objekt, das für die Formgebungsfreiheit steht, die der 3D-Druck bietet. Am Beispiel von Mehrwegbehältern, die Anbieter von Speisen und Getränken den Verbrauchern neben Einwegverpackungen ab 2023 zur Verfügung stellen müssen, werden in der Ausstellung Entwicklungen im Bereich Essen zum Mitnehmen aufgezeigt. Die Herausforderung ist, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu schaffen, die andere Kunststoffe, neue Produkte und Mehrwegsysteme ermöglichen wird.
 
Forschungsprojekt
Die ausgestellten Objekte gehören zur Sammlung des Deutschen Kunststoff-Museums. Seit 2017 hat diese als Dauerleihgabe im LVR-Industriemuseum eine Heimat gefunden. Zuletzt war sie Gegenstand des Forschungsprojekts „KuWerKo. Kunststoffe – ein moderner Werkstoff im kulturgeschichtlichen Kontext“. Wissenschaftlern aus mehreren Disziplinen gingen in der Sammlung auf detektivische Spurensuche, um Objekten ihre Geschichte zu entlocken und zu verstehen, wie sie sich während ihrer Nutzung und danach verändern. Die Ausstellung „Klasse und Masse“ präsentiert erstmals Ergebnisse dieses Forschungsprojekts.
 

Der Klassiker und Design Dauerbrenner Panton Stuhl, Entwurf Verner Panton, 1962, Herman Miller
Furniture Company, Schweiz ,1971 - Foto © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

 
„Klasse und Masse. Kunststoffdesign im Alltag“
LVR-Industriemuseum
Peter-Behrens-Bau
Essener Straße 80
46047 Oberhausen
 
Laufzeit: 25.10.2022 – 23.12.2023
 
Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 10 – 17 Uhr, samstags und sonntags 11 – 18 Uhr
Eintrittspreise (Kombiticket mit Dauerausstellung „Peter Behrens – Kunst und Technik“): 6,50 €, ermäßigt 5,50 €, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Eintritt frei
Besucherinfos und Buchungen von Führungen bei kulturinfo rheinland unter Tel.: 02234/9921-555 (Mo-Fr 8-18 Uhr, Sa, So und an Feiertagen 10-15 Uhr) oder per Mail an info@kulturinfo-rheinland.de
 
Redaktion: Frank Becker