Den Lenz sticht Neid ob deiner Schönheit

Ein altpersisches Liebesgedicht - illustriert

von Fritz Kissels

Foto © Fritz Kissels

Den Lenz sticht Neid ob deiner Schönheit,
Und Scham treibt ihm den Schweiß heraus,
Deshalb mit Dornen sticht die Rose,
Der Schweiß entträuft in Tropfen Thau's.

Der dunkle Flaum um ihre Lippen,
Er macht ein doppelt Sprüchwort wahr:
Am schönsten grünt der Rand der Quellen,
Ein schöner Lenz bringt gutes Jahr.

Ob deines hohen Wuchses fallen
Cypress' und Palme dir zu Füssen,
Sie seh'n zu dir hinauf beschämet,
Wie auf den Rosenstrauch Narzissen.

Auf deiner Wangen Rose kriechet
Des Bartflaums schwarze Ameis' um,
Was ganz natürlich, denn der Neger
Bewacht der Schönheit Heiligthum.

Zwei helle Lampen sind die Augen,
Die löschen aus der Sonnen Schein,
Zwei trunk'ne Hirsche sind die Augen,
Die weiden in dem Rosenhain.

Die ganze Welt ist ein Gemische
Von Bösen und von Guten nur,
Ormusd gab deines Wangen Frische,
Das Haar trägt Ahrismanens Spur.
 
 
(unbekannter persischer Dichter)
 
übersetzt von Joseph von Hammer-Purgstall